Roadmovie und Gottesdienst in einem
Beim Start des 1. Stuttgarter Vespa-Gottesdienstes auf dem Stuttgarter Eugensplatz waren rund 25 Zweiräder dabei. „Ich hätte nicht gedacht, dass es so viele werden“, sagte Pfarrerin Vinh An Vu beim Anblick der Fahrer aus Stuttgart und den Landkreisen Esslingen, Ludwigsburg, Reutlingen und Tübingen. Vom historischen Liebhaberstück mit stilechten Weißwandreifen bis zu moderneren Zweirädern aus diesem Jahrhundert war alles vertreten. Manche Zweiräder waren mit mehreren Personen besetzt. Die Vespas waren deutlich in der Mehrzahl, aber auch andere Marken waren als Gäste willkommen.
Das Medieninteresse war groß, es waren gleich mehrere Kamerateams vertreten, teils war auch die Presse auf der Vespa unterwegs. Nach einem Reisesegen führte die erste Etappe hinauf zur Frauenkopfkirche. Vinh An Vu führte die Gruppe an, mit Talar auf dem Zweirad. „Wir wollen das Leben genießen, luftig und leicht auf der Vespa“, sagte sie und bat um strikte Einhaltung der Verkehrsregeln. „Bitte nicht nebeneinander fahren, höchstens versetzt, am besten aber hintereinander, mit viel Abstand.“
Bei der Frauenkopfkirche las Diakonin Julia Wagner die Erzählung von einem Jungen, der sein Getränk und seine Schokolade mit einer alten Dame teilt – und hinterher erzählt, er habe mit Gott gegessen. Der Predigtimpuls zu dieser Geschichte folgte an der nächsten Station, im Garten bei der Dorfkirche aus dem 15. Jahrhundert in Stuttgart-Rohracker. Er drehte sich darum, dass Menschen im menschlichen Gegenüber Gott begegnen können. Die Pfarrerin ermunterte die Zuhörer, in ihrem Leben einen Platz für neue Begegnungen freizuhalten.
Der Weg nach Rohracker hätte wegen einer Straßensperrung eigentlich einen kilometerlangen Umweg erfordert – stattdessen entschied sich die Gruppe für einen steilen Schleichweg durch die Weinberge. Sie befuhr ihn mit aller nötigen Vorsicht und wurde dort von erstaunten Traubenlesern bewundert.
In der 1930 eingeweihten Kreuzkirche im ausgeprägten Bauhausstil in Stuttgart-Hedelfingen begrüßte Kirchenmusikdirektorin Manuela Nägele die Gruppe mit ihrem Orgelspiel, es folgten gemeinsame Lieder. Der Weg dorthin führte als Kontrastprogramm durch einen Stau. Dieser Andrang war aber bei weitem kein Vergleich zum Verkehr, von dem Vinh An Vu aus ihrer Geburtsstadt Saigon mit 7,5 Millionen Mopeds bei 10 Millionen Einwohnern berichtete.
Mit ihrem elektrischen Unu-Roller ist Vinh An Vu bei jedem Wetter unterwegs. Die Idee eines Vespa-Gottesdienstes habe sie schon seit ihrem Amtsantritt in Stuttgart vor zweieinhalb Jahren mit sich herumgetragen. Als dann die Diakonin Julia Wagner ihre rote Vespa von Berlin nach Stuttgart holte, dachte die Pfarrerin: „Endlich ist die Gelegenheit da!“
Knapp zwei Stunden nach Gottesdienstbeginn führte die Schlussetappe die Gruppe hinauf zur Grabkapelle auf dem Rotenberg. An der Kapelle gab es nicht nur die schöne Aussicht zu bewundern: Dort endete die ungewöhnliche Kombination von Gottesdienst und Roadmovie mit dem Schlusssegen. (2078/14.09.2024)