Weltweit erleben Religionen einen dramatischen Bedeutungsverlust, sagt der Soziologe Detlef Pollack. Sogar einstige Hochburgen wie Iran oder die USA seien betroffen. Die Säkularisierung ist zum Megatrend geworden.
Der Religionssoziologe Detlef Pollack hält eine Rückkehr zu mehr religiöser Tradition für ein schlechtes Mittel gegen den Glaubensschwund in der Gesellschaft. “Für die Mehrheit wäre das eher abstoßend”, sagte Pollack der “Süddeutschen Zeitung” (Dienstag), etwa mit Blick auf die lateinische Messe in der katholischen Kirche. Es gebe eine gesamtgesellschaftliche Tendenz zu liberalen Werten und Selbstbestimmung, zur Gleichberechtigung der Geschlechter und der Akzeptanz von Homosexualität. “Wenn die Kirche nicht mit der Zeit geht, würde sie noch mehr Menschen verlieren und nur wenige gewinnen”, so der Leiter des Centrum für Religion und Moderne der Universität Münster.
Weltweit ist Pollack zufolge die Säkularisierung zu einem zentralen Trend geworden. “Die Religion erfährt derzeit einen dramatischen, historisch beispiellosen Bedeutungsrückgang.” Säkularisierungsprozesse gebe es auch in vielen Ländern Lateinamerikas, Nordafrikas und Asiens, sogar in Ländern wie den USA, Iran oder Polen, die bislang als religiöse Hochburgen galten. “Umfragen zufolge verstehen sich in Iran nur noch 40 bis 50 Prozent der Menschen als Muslime, 22 Prozent bezeichnen sich als religionslos, neun Prozent sogar als Atheisten.”
In modernen westlichen Gesellschaften legten die Menschen Wert auf ihre Entscheidungskompetenz und wehrten alle Bevormundungsversuche ab. “Auch in Existenz- und Glaubensfragen bestehen sie auf ihre Autonomie und folgen nicht mehr autoritativen Vorgaben”, so der Religionssoziologe. Die moderne Gesellschaft halte viele Partizipations- und Selbstverwirklichungsmöglichkeiten bereit. “Unmerklich verschiebt sich so die Aufmerksamkeit von der Frage nach den ersten und letzten Dingen unseres Lebens zu der Frage, was man im Hier und Jetzt tun möchte.”