Regensommer kommt noch nicht in deutschen Wäldern an
Hilft der Regensommer dem Wald? Experten mahnen, dass die Dürren der vergangenen Jahre noch nachwirken, der Wald müsse klimafest werden. Deutschlands größtes Waldgebiet ist auf einem guten Weg – doch Gefahren bleiben.
Mit Erstaunen dürfte so mancher auf die jüngst veröffentlichte Nachricht des Deutschen Wetterdienstes reagiert haben. So regenreich wie noch nie seit Beginn der Messung im Jahr 1881 waren die vergangenen zwölf Monate in Deutschland. Vor dem Hintergrund immer dramatischerer Diskussionen um Klimawandel, Hitzerekorde und vor allem der vorangegangenen Dürrejahre erscheint die Nachricht des Niederschlagrekordes überraschend.
Doch könnte nicht das, was die Menschen hierzulande als verregneten Sommer beklagen, zumindest an anderer Stelle von Vorteil sein, zum Beispiel für die gebeutelten Wälder in Deutschland? Die im Mai vom Bundeslandwirtschaftsministerium veröffentlichte Waldzustandserhebung gibt diesbezüglich nämlich allen Grund zur Sorge: Nur noch jeder fünfte Baum in Deutschland ist demnach gesund, hingegen leiden 36 Prozent unter starker Kronenverlichtung, also einem gravierenden Verlust des Blätter- beziehungsweise Nadelkleides. Die Gründe dafür können die Forscher des Braunschweiger Thünen-Instituts, das den Bericht im Auftrag des Ministeriums zusammenträgt, leicht benennen: Hitze, Trockenheit und dadurch begünstigter Schädlingsbefall, insbesondere durch den Borkenkäfer.
Die Nässe in Frühjahr und Frühsommer dieses Jahres könnte nun tendenziell dem Wald bei der Erholung helfen, sagt die Forstforscherin Nicole Wellbrock vom Thünen-Institut auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). “Wir sehen aber, dass die Bäume sich von der Dürreperiode 2018 bis 2020 nicht vollständig erholt haben. Es gibt also eine weitergehende Schädigung.”
Dabei seien nicht alle Baumarten gleich betroffen. Während Fichten die höchste Absterberate aufwiesen, was auch mit den auf Fichten spezialisierten Borkenkäfern zusammenhängt, kämen Kiefern grundsätzlich besser mit Trockenheit klar, erklärte Wellbrock. Vom Regen stark profitieren könnten zudem Buchen und Eichen.
Generell könne sich eine Erholung des Waldes bei ausreichend Niederschlägen schon nach einem Jahr einstellen, so Wellbrock weiter. Für die Zukunft brauche es aber klimastabilere Mischwälder, mit Baumarten, die besser mit Trockenheit auskommen. “Hier können Hainbuche, Ahorn, Küstentanne, Douglasie oder gegebenenfalls mediterrane Eichenarten in Frage kommen. Je nach Standort wird dies variieren.”
In Rheinland-Pfalz, dem Bundesland mit dem größten Waldanteil, wurden diese Zeichen der Zeit offenbar erkannt. Rund 82 Prozent der Wälder sind nach Angaben der Forstbehörde bereits Mischwälder. Dazu zählt auch Deutschlands größtes zusammenhängendes Waldgebiet, der Pfälzer Wald, in den inzwischen auch resistentere Fremdlinge integriert sind. Die ursprünglich aus Nordamerika stammende Douglasie etwa macht inzwischen über sechs Prozent des Baumbestandes aus.
Für den Wald ist das enorm wichtig, denn auch in der Pfalz fällt die Bestandsaufnahme derzeit noch negativ aus. Nach Angaben des rheinland-pfälzischen Landesumweltministeriums sind über 85 Prozent der Bäume geschädigt. “Naturnahe Mischwälder sind unsere Versicherung zum Erhalt unserer Wälder, denn viele Schädlinge sind auf eine Baumart spezialisiert”, erklärt Magdalena Fröhlich vom Ministerium. “Fällt diese Baumart aus, gibt es noch viele andere Bäume, die das Ökosystem stabilisieren.”
Die Niederschläge der vergangenen Wochen waren laut Fröhlich wichtig für den Wald, doch reiche das Wasser alleine nicht, um die Bäume gesund zu machen. Immerhin habe die bisherige feuchte und kühle Witterung auch im Pfälzer Wald die Aktivität des Borkenkäfers stark reduziert. Dennoch warnt Fröhlich vor allzu großem Optimismus. “Derzeit steigen die Temperaturen wieder, sodass mit einem verstärkten Schwärmflug zu rechnen ist. Die Hauptphase wird in diesem Jahr wohl im September und Oktober liegen.”