Reformations-Truck erzählt berührende Geschichten gläubiger Menschen

Durch 67 europäische Städte fährt der riesige Lkw. Osnabrück ist der erste Halt in Deutschland. Besucher erzählen dort ihre persönlich Geschichte zur Reformation – von Luther bis Leberwurstbrot.

Der Reformations-Truck tour quer durch Europa
Der Reformations-Truck tour quer durch EuropaUwe Lewandowski / epd

Osnabrück. Sigrid Pees-Ulsmann (74) hatte schon als Kind keine Berührungsängste mit Katholiken. Die Protestantin aus Osnabrück tauschte damals regelmäßig auf dem Pausenhof ihr Leberwurstbrot gegen das Butter-Zucker-Brot ihrer katholischen Freundin. Später hat sie einen katholischen Mann geheiratet. Beide sind in ihren jeweiligen Gemeinden sehr engagiert. "Wir haben uns mit unseren unterschiedlichen Glaubenserfahrungen immer gegenseitig bereichert", erzählt die Kirchenvorsteherin der St. Mariengemeinde.
Ihre Geschichte ist eine von Hunderten, die der Reformationstruck, ein 16 Meter langer Lkw, auf dem Europäischen Stationenweg schon eingesammelt hat. Das deshalb auch als Geschichtenmobil bezeichnete Riesengefährt ist ein Projekt der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE). Es tourt anlässlich des Reformationsjubiläums durch 19 europäische Länder und 67 Städte. Ziel ist am 20. Mai die Weltausstellung zur Reformation in der Lutherstadt Wittenberg.

Nur im ersten Moment enttäuscht

Gestartet war der Truck am 3. November in Genf. Danach hat er unter anderem in Graz, Wien und zuletzt in Prag Halt gemacht. Mit Osnabrück hat das Mobil seine erste Station in Deutschland erreicht. Die Stadt des Westfälischen Friedens "erinnert uns daran, dass Frieden in Europa keine Selbstverständlichkeit ist", sagt die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Irmgard Schwaetzer. Umso wichtiger sei das Zeichen aus Osnabrück für ein Europa des Friedens, der Aussöhnung und der Gerechtigkeit. In der hannoverschen Landeskirche hat der Truck seine nächste Station am 29. November in Stadthagen, auf dem Gebiet der Nordkirche ist der einzige Stopp am 29. April 2017 in Kiel geplant.
"Im ersten Moment war ich etwas enttäuscht, weil es hier so wenig Spektakuläres zu sehen und so wenig Informationen gibt", sagt Helga Sawatzki (62). Sie sitzt mit ihrer Tochter Anne (27) auf einem Hocker vor einer der beiden Videostationen im gläsernen, gemütlich warmen Vorbau des Trucks. Auf einer Europakarte am Boden zeigen gelbe Sterne die Orte des Stationenweges an. An der Wand laufen in Endlosschleife Kurzfilme über Osnabrück und Minden. Ein kleines Sofa lädt zum Ausruhen. Hochglanz-Hefte und Flyer stecken in einem schmucklosen Plexiglas-Ständer.
Gerade haben die beiden Sawatzkis, die sich ehrenamtlich in ihrer evangelischen Gemeinde engagieren, der Geschichte von Sigrid Pees-Ulsmann gelauscht. Doch sie wollen mehr hören: Richtig gerührt sind sie von der katholischen Ordensschwester Engratia. Sie holt sich auf Borkum regelmäßig einen Segen in der lutherischen Kirche.

Protestantisch karge Ausstattung

Auch Theologie-Professor Martin Jung beeindruckt Mutter und Tochter. Der hatte als junger Mensch schon mit Martin Luther, seinem Glauben und der Kirche abgeschlossen und entdeckte bei einem längeren Aufenthalt in Israel ganz neu den Sinn für Religion. Die Sawatzkis sind dann doch begeistert, dass das Geschichtenmobil trotz protestantisch karger Ausstattung "sehr viel Lebendigkeit ausstrahlt", sagt Mutter Helga. "Ich bin mir sicher, dass ich viel mehr mitnehme, als wenn ich hier so eine Art Museum mit Gegenständen und Texten vorgefunden hätte."
Die Resonanz sei in allen Städten bislang äußerst positiv gewesen, sagt Tourmanager Johannes Göring. "Der riesige auffällige Truck zieht die Passanten in Massen an." Darunter seien auch Menschen, die mit Kirche gar nichts zu tun hätten. Viele Besucher erzählten aber auch, "was sie mit Reformation, Ökumene aber auch ganz allgemein mit Kirche und Glauben verbinden".
Eine eigene Geschichte hat auch Herbert Flothmann (63) mit zum Truck gebracht. Für den Osnabrücker spielen Konfessionen keine Rolle. Er ist evangelisch getauft, mit einer katholischen Frau verheiratet, besucht katholische Gottesdienste und geht dort auch zur Kommunion – nicht weil ihn die Katholiken mit ihrer Lehre überzeugt hätten: "Aber das ist einfach praktischer. Die Unterschiede sind bei uns nicht alltagsrelevant", sagt er und fügt noch lapidar an: "Es gibt wichtigere Dinge als die Kirchenspaltung." (epd)