Ratgeber zu Krisen in Freundschaften
Es war eine eigene Erfahrung, die Dorothee Röhrig dazu brachte, Bücher über Freundschaften in Krisen zu schreiben. Sie handeln davon, was zum Bruch führen kann und wie man diesen verhindert.
Welche Erfahrung war das, die Sie zu diesem Buch motiviert hat?
Dorothee Röhrig: Eine enge Freundin und ich haben uns immer mehr auseinanderentwickelt. Das hat mir weh getan. Es gab immer öfter Streit, ich war traurig und habe mich ohnmächtig gefühlt. Auf der Suche nach Literatur habe ich festgestellt, dass es da nichts gibt. So habe ich mich eingehend mit dem Thema beschäftigt.
Warum sind Freundschaften so wichtig?
Sie bereichern das Leben. Freundschaften können uns durch Krisen tragen und helfen gegen Einsamkeit. Gerade Frauen erzählen sich auch die intimsten Dinge und teilen sehr viel miteinander. So manche Freundschaft lässt sich mit einer Liebesbeziehung vergleichen. Freundschaften unter Frauen sind oft sehr exklusiv, da ist viel Nähe. Durch diese Enge sind diese Beziehungen wichtig, aber auch zerbrechlich. Wir haben das Gefühl, niemand versteht uns so wie sie. Die Identifikation mit der Freundin ist stark – da ist das Gefühl: Ich bin wie meine Freundin. Aber das stimmt ja nicht.
Männer bleiben in Freundschaften mehr bei sich
Ist das bei Männern denn anders?
Wir Frauen haben eine große Sehnsucht nach Gleichklang und Verbundenheit. Das ist bei Männern anders. Sie bleiben mehr bei sich. Männer sind meist sachlicher, haben andere Themen und gehen gerade bei Gefühlen weniger in die Tiefe.
Was ist der Knackpunkt, wenn es in Freundschaften kriselt?
Frauen gestehen sich nach meiner Beobachtung in ihren Freundschaften wenig Entwicklung zu. Man möchte am liebsten, dass es immer so bleibt, wie es ist. Wenn sich dann im Leben etwas verändert, hat das durchaus Konfliktpotenzial.
Also wenn zum Beispiel eine heiratet?
Da kann es schon reichen, wenn eine erst mal einen Mann kennenlernt. Da braucht sie noch lange nicht zu heiraten. Oder wenn eine die Stelle wechselt, umzieht oder wirklich eine Familie gründet. Dann ändert sich definitiv etwas, aber das Harmoniebedürfnis bleibt gleich und die Konfliktbereitschaft ist gering.
Heißt das, Frauen scheuen sich eher davor, miteinander zu streiten?
Da ist oft die Angst, die gemeinsame Schnittmenge mit der Freundin könnte kleiner werden. Auch die Angst davor, die Freundschaft zu verlieren.
Veränderung als Chance
Was braucht es dann?
Leben ist Entwicklung und Veränderung. Die eine bekommt Kinder, die andere nicht. Die eine stellt die Ernährung um, die andere nicht. Die bewahrt sich einen kindlichen Glauben an Gott, die andere hinterfragt viel und ihre Glaubenseinstellungen entwickeln sich. Da ändern sich Lebensumstände und Werte. Und das muss man akzeptieren, am besten als Chance für sich selbst sehen, die den Horizont weitet. Nur über den Konflikt, durch die Auseinandersetzung entsteht auch wieder Versöhnung. Am schlimmsten ist es, nichts zu sagen. Das geht auf Dauer nicht gut. Dann ist die Gefahr viel größer, dass man die Freundin verliert.
Vermutlich ist es auch deswegen gut, mehrere Freunde oder Freundinnen zu haben…
Wir suchen uns in bestimmten Situationen auch Menschen, die eine entsprechende Lücke füllen. Es ist gut, Freundschaften zu pflegen, die unterschiedliche Schwerpunkte haben. Mit der einen Freundin kann man gut um die Häuser ziehen, mit einer anderen gut Urlaub machen und mit der nächsten tiefe Gespräche über Gott und die Welt führen. Gemeinsame Werte schaffen Verbindung.
Distanz und Nüchternheit helfen weiter
Wenn ich merke, da driftet etwas sehr auseinander – was mache ich dann?
Es ist überhaupt die Voraussetzung zu realisieren, dass sich da gerade eine Krise anbahnt. Dann ist es ratsam, auf einen guten Moment zu achten, wo ich ansprechen kann, was mich beschäftigt. Und Ehrlichkeit ist wichtig. Also zu sagen, dass ich den Eindruck habe, wir gehen in manchen Meinungen auseinander. Dass ich auch sage, wenn ich den Eindruck habe, sie hört mir nicht zu oder sie sieht mich nicht. Da ist Mut gefordert, wir machen uns da auch verletzlich. Es ist gut, etwas Distanz und Nüchternheit an den Tag zu legen. Das können wir Frauen uns von den Männern abschauen.
Und wenn nichts mehr zu retten ist?
Gerade Frauen können da sehr hartnäckig sein und halten lang an einer Freundschaft fest, versuchen viel, um sie zu erhalten. Aber wenn eine Freundschaft endet, sollte man sich fragen: Wo ist mein Anteil daran, dass es auseinanderging? Wie gut ertrage ich Nähe? Wo bin ich zu egoistisch? Was habe ich durch die Freundin oder den Freund gelernt? Und wofür kann ich dankbar sein?
Manchmal könnte man auch in Freundschaften eine Art Paarberatung brauchen…
Da ist was dran. Es lohnt sich, in Krisen zu schauen, was passiert da gerade. Manchmal stecken langjährige Freundschaften fest und haben pubertäre Züge. Deswegen ist es eben so wichtig, sich Entwicklung zuzugestehen. Und wenn eine Freundschaft zerbricht, darauf zu achten, dass man nicht in der Bitterkeit und in Vorwürfen steckenbleibt. Dem sollte man nicht zu viel Macht geben – und barmherzig mit sich selbst sein.
• Dorothee Röhrig: Aus und vorbei. Woran Frauenfreundschaften zerbrechen und wie wir daran wachsen. Kailash Verlag, 256 Seiten, 15,- Euro.