Rätselhafte Schönheit

Sie verströmt einen besonderen Zauber: Mit ihren ebenmäßigen Zügen und ihrem leicht rätselhaften Blick prägte Catherine Deneuve Klassiker wie Truffauts „Das Geheimnis der falschen Braut“, Buñuels „Belle de Jour“ oder Polanskis „Das Ekel“. Am 22. Oktober wird die Grande Dame des französischen Kinos 80 Jahre alt. „Das Altern hat doch unmittelbar mit dem Leben zu tun“, sagte sie einmal, „warum solle man da Widerstand leisten“.

Bei der Eröffnung der Filmfestspiele von Cannes im Mai stand Catherine Deneuve dieses Jahr edel gewandet auf der Bühne, von den Fans gefeiert. Sie zierte auch das offizielle Festivalplakat – 55 Jahre jünger, märchenhaft abgehoben in dem Film „La Chamade – Herzklopfen“, 1968 gedreht. In der bittersüßen Dreiecksgeschichte ist sie die Geliebte eines alten reichen Mannes (Michel Piccoli).

Als Nachwuchsdarstellerin hatte die junge Deneuve rasch Erfolg. Leichtfüßig, mädchenhaft wirbelte sie 1964 durch Jacque Demys Musicalfilm „Die Regenschirme von Cherbourg“. Im Jahr darauf präsentierte sie sich in einer völlig anderen Rolle: Sie brillierte als mörderische Blondine in Roman Polanskis beklemmendem Psychothriller „Ekel“. „Mädchen mit Engelsgesicht tötet Mann mit Rasierklinge“, so charakterisiert Polanski den Plot.

„Sie scheint auf der Leinwand ein Doppelleben zu führen“, sagte Meisterregisseur François Truffaut einmal, „eins, das man sieht und ein verborgenes. Man hat das Gefühl, dass sie ihre Gedanken für sich behält“. Zu beobachten ist das auch in Luis Buñuels „Belle de Jour“ (1967), mit Deneuve als gutbürgerlicher Lady, die heimlich im Bordell arbeitet.

„Das Versteckte liegt mir von meiner ganzen Person her – die Andeutung statt der Ausführung“, so formulierte sie selbst es einmal. Auch in Truffauts turbulentem Abenteuerfilm „Das Geheimnis der falschen Braut“ (1969) glänzt die kühle, rätselhafte Schönheit, diesmal in der Rolle als Heiratsschwindlerin. Ihr Opfer ist Jean-Paul Belmondo.

Das Kino habe ihr geholfen, erwachsen zu werden, sagte Deneuve einmal. Als Catherine Fabienne Dorléac wurde sie am 22. Oktober 1943 in Paris geboren, später übernahm sie den Geburtsnamen ihrer Mutter. Ihre Eltern und ihre ältere Schwester Françoise waren auch Schauspieler. In „Die kleinen Sünderinnen“ (1960) standen Catherine und Françoise gemeinsam vor der Kamera, ebenso in „Die Mädchen von Rochefort“, einer beschwingten Hommage ans amerikanische Musical. 1967 kam ihre Schwester bei einem Autounfall ums Leben.

In den 1980ern veränderte sich ihre Spielweise. Als Charakterdarstellerin brillierte sie in Truffauts „Die letzte Metro“ (1980): Deneuve spielt eine Theaterleiterin, die ihren jüdischen Ehemann während der deutschen Besetzung im Keller versteckt. Unterstützt wird sie vom Kollegen Bernard, gespielt von Gérard Depardieu. Zehn Filme drehten die beiden zusammen. Völlig losgelöst vom früheren Image der distanzierten Schönen ist sie in Lars von Triers „Dancer in the Dark“ (2000) zu sehen: als ungeschminkte, erschöpfte Fabrikarbeiterin.

„Mein Privatleben war stets das eine und die Arbeit das andere, völlig getrennte Bereiche.“ So hält sie es bis heute, gibt wenig Privates preis. Mit 19 brachte sie ihren Sohn Christian Vadim zur Welt, Vater war der Regisseur Roger Vadim. Stets auf Unabhängigkeit bedacht, heiratete Deneuve weder Vadim noch ein Jahrzehnt später Marcello Mastroianni, den Vater ihrer Tochter Chiara. Beide Kinder sind Schauspieler geworden, mit Chiara stand Deneuve etliche Male vor der Kamera, so 2011 in der Mutter-Tochter-Geschichte „Die Liebenden – von der Last, glücklich zu sein“.

Das Kino lässt sie auch im Alter nicht los. 2019 spielte sie in Hirokazu Koreedas „Die Wahrheit – Leben und lügen lassen“ eine greise Schauspielerin, die ihre Autobiografie schreibt. Die beruht allerdings nicht gerade auf Tatsachen, was zu Verwerfungen mit ihrer Tochter führt, gespielt von Juliette Binoche. 2021 beeindruckt sie in dem Melodram „In Liebe lassen“ als dominante Mutter, die ihren krebskranken Sohn beim Sterben begleitet. Die Dreharbeiten wurden unterbrochen, als Deneuve einen Schlaganfall erlitt, von dem sie sich indes erholte.

Catherine Deneuve ist meinungsstark, engagiert sich, etwa für Opfer von Landminen und gegen die Todesstrafe. Sie war eine von 343 Frauen, die 1971 in einer Kampagne der Selbstbezichtigung das Recht auf Abtreibung forderten, ähnlich wie es in Deutschland zur selben Zeit geschah. Seit 2008 ist sie Mitglied der „Waris Dirie Foundation“, einer Stiftung gegen Genitalverstümmelung von Frauen und Mädchen. Auf Unverständnis bei vielen stieß allerdings, dass sie 2017 die französische MeToo-Kampagne kritisierte. Später entschuldigte sie sich bei den Opfern sexueller Belästigung.

Für ihr Werk ist Catherine Deneuve vielfach ausgezeichnet worden, etwa mit einer Goldenen Kamera, einer Ehrenpalme in Cannes, dem Europäischen Filmpreis und 2022 in Venedig einem Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk.