Rabbiner warnen vor Blindheit gegenüber heutigem Antisemitismus

Orthodoxe Rabbiner in Deutschland und Europa warnen vor Blindheit gegenüber zeitgenössischem Antisemitismus. „Während wir in diesen Tagen der sechs Millionen Jüdinnen und Juden, unter ihnen 1,5 Millionen Kinder, gedenken, die durch die Nazi-Diktatur in grausamster Weise vernichtet worden sind, dürfen wir auch nicht blind für die aktuellen Entwicklungen sein“, erklärte der Präsident der Konferenz Europäischer Rabbiner (CER), Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt, am Freitag zum Internationalen Holocaust-Gedenktag an diesem Samstag.

„Das beunruhigende Erstarken rechtsextremer Parteien in Europa, der zunehmende Antisemitismus der extremen Linken und islamistischer Fundamentalisten lassen ein Wiederaufleben von Ideologien befürchten, die in der Vergangenheit zu unermesslichem Leid geführt haben.“ Sie bedrohten nicht nur Jüdinnen und Juden sowie jüdische Einrichtungen, sondern auch Europa, die europäische Lebensweise und die Freiheit. Die Worte „Nie wieder“ dürften nicht zu einer Phrase verkommen.

Goldschmidt nannte es unverständlich, dass gerade zum Gedenktag am Samstag in einigen europäischen Städten wie Rom und Zürich von den Behörden „Pro-Hamas und den islamistischen Terror verherrlichende Demonstrationen“ zugelassen worden seien. „Das ist nicht nur taktlos und geschichtsvergessen gegenüber den Millionen Opfern der Schoah und ihren Nachfahren, sondern legitimiert die Versuche der extremen Ränder, durch Gleichsetzungen und Verharmlosungen einen gefährlichen Geschichtsrevisionismus zu betreiben, der nichts anderes ist, als die geistige Wegbereitung einer neuen Form der Judenverfolgung.“

Auch der Vorstand der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD) warb für einen kritischen Blick auf die Gegenwart und rief zum Handeln gegen Antisemitismus auf. Die Nachkommen der Toten des Holocaust seien erneut bedroht. „Es ist gut, dass sich mit Blick auf die jüngsten Demonstrationen gegen Rechts endlich etwas in unserem Land tut und nicht länger geschwiegen wird. Die Zivilgesellschaft in Deutschland steht gegen die drohende Dunkelheit der Populisten, Extremisten und Rassisten auf. Das ist ein Anfang. Doch die Demonstrationen sind noch keine Trendwende.“ Nötig seien eine dauerhafte klare Haltung und Stimme.