Queerer Pfarrer in Köln: Tim Lahr kämpft für eine offene Kirche

Tim Lahr ist Pfarrer in Köln Deutz/Poll. Er ist durch seinen Instagram-Account „amen_aber_sexy“ bekannt geworden, wo er für eine offene und queere Kirche eintritt.

Tim Lahr bei seinem Einführungsgottesdienst
Tim Lahr bei seinem EinführungsgottesdienstMatthias Pohl

Es ist ein klassisches Liebeslied, das die Tiefe der Verbundenheit zweier Menschen ausdrückt. Doch es kann natürlich auch mit der Hingabe an Gott assoziiert werden. „I say a little prayer“ spricht davon, dass es möglich ist, in jedem einzelnen Moment des Tages zu beten und drückt damit aus, was für Pfarrer Tim Lahr ein wesentlicher Inhalt seines Glaubens ist. „Ich lebe mit dem Urvertrauen, dass Gott, der mich so liebt, wie ich bin, immer an meiner Seite ist. Er trägt mich im Alltag“, ist der 34-Jährige überzeugt.

So passte es wunderbar, dass der im Mai dieses Jahres gestartete Queere Kirchen-Chor unter der Leitung von Michael Burt exakt dieses Lied zur Einführung von Tim Lahr in die evangelische Gemeinde Deutz/Poll sang und damit die Zuhörenden in der St. Johannes-Kirche Deutz/Poll sehr berührte. Mindestens die nächsten drei Jahre wird Tim Lahr als Pfarrer mit einer halben Stelle für die Menschen in Deutz und Poll da sein, will Vernetzung schaffen, sich Zeit nehmen für den Gestaltungsraum Gemeinde und zeigen, dass es sich selbstverständlich nicht ausschließt, queer und gläubig zu sein.

Auf Instagram als „amen_aber_sexy“ mehr als 15.000 Follower

Vernetzung ist ein Wort, das gut zu Tim Lahr passt. Während der Einführung erinnerte Superintendentin Susanne Beuth daran, dass der Theologe es hervorragend verstehe, analoge und digitale Kirche zu verknüpfen. Auf Instagram wirbt er als „amen_aber_sexy“ für eine queere und weltoffene Kirche und hat inzwischen tausende Follower, analog bringt er Menschen über außergewöhnliche Gottesdienste, über Partys unter dem Motto „Queer as Hell“ oder über die Seelsorge zusammen.

 

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Während des Segens wurde zudem deutlich, wie wohltuend Lahrs Engagement für eine queere Kirche empfunden wird. So sagte einer der Segnenden: „Du gibst Menschen eine Stimme, die 2000 Jahre lang von der Kirche nicht gehört wurden.“ „Gott hat uns vielfältig gemacht, liebt uns alle und gibt uns Halt“. Die Anfang des Jahres offiziell gestartete Queere Kirche Köln ist einer der Erprobungsräume der Evangelischen Kirche im Rheinland und soll ein sicherer Ort für queere Menschen sein. Tim Lahr, der offen seine Homosexualität kommuniziert, erinnert sich daran, dass es ihm als junger Erwachsener auch nicht so leichtfiel, sich zu outen. Er blickt zurück: „Ich hätte damals gerne Menschen als Vorbilder gehabt, die mir ein Stück Sicherheit hätten geben können. So jemand möchte ich nun sein.“

Drohungen und Hass auf Social Media

Während Schulzeit und Theologiestudium in Bonn seien queere Personen praktisch nicht sichtbar gewesen. „Das ändert sich allmählich“, hat er voller Freude beobachtet, berichtet aber auch davon, dass er gut nachdachte, als die Zahl seiner Follower plötzlich massiv wuchs und immer mehr Medienanfragen ihn erreichten. „Ich musste entscheiden, ob ich diese Öffentlichkeit wirklich will. Zumal es in der digitalen Welt ja auch an Drohungen und Hass nicht mangelt.“ Gerade mit den Anfeindungen umzugehen, ist eine Herausforderung.

Doch, so sagt der Pfarrer, sei es ihm ungemein wichtig, für eine junge, queere und digitale Kirche zu stehen. „Diese Art Kirche wird immer noch zu oft vergessen. Aber wir brauchen diese Kirche und mit ihr die Menschen, die sagen: Gott hat uns vielfältig gemacht, liebt uns alle und gibt uns Halt.“ Pfarrerin Beuth nahm in ihren Einführungsworten darauf Bezug: „Durch Tims Engagement haben auch wir entdeckt, wie wichtig digitale Formen des Gemeindelebens und der Kommunikation heute sind und, dass es möglich ist, Menschen an ganz anderen Orten als den gewohnten zu erreichen.“

In seiner Predigt zur Einführung blickte Lahr auf seine eigene Geschichte, verknüpfte seinen Weg damit, immer mal wieder innegehalten, sich gefragt zu haben, wie sehr er sich gerade angekommen fühlt. „Das möchte ich auch anderen Menschen ermöglichen. Innehalten, durchatmen und auf das Schöne und Hoffnungsvolle schauen.“ Er selbst habe immer gewusst, dass er dahin gehen wolle, wo das Leben ist, dass er voller Kreativität und Humor für die Vielfalt der Kirche eintreten möchte.