Publizist Friedman: Gründung einer Familie war lange undenkbar

Er ist der Sohn von Holocaust-Überlebenden. Michel Friedman erzählt in einem Interview, warum er lange keine Familie gründen wollte – und was er angesichts von Antisemitismus seinen Söhnen rät.

Für den Publizisten Michel Friedman war die Gründung einer Familie nach eigenem Bekunden lange undenkbar. Damit habe er Tod und Gewalt verbunden, sagte der Sohn von Holocaust-Überlebenden in einem Interview der “Zeit”-Beilage “Christ & Welt” (Mittwoch). “Ich hatte immer die Urangst in mir: Wenn ich eine Familie gründe, wird sie auch sterben. In meiner Kindheit wurde ständig von toten Menschen erzählt, die ich nicht kannte, das waren meine Onkel und Tanten. Sie waren Geister, Schatten. Und Familie war Vernichtung.” Im Alter von 48 Jahren sei er dann aber doch Vater geworden.

Angesichts eines stark gestiegenen Antisemitismus in Deutschland nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 sagte Friedman: “Ich trage einen Davidstern ganz selbstverständlich um den Hals, weil er mir als Schmuckstück gefällt. Auch meine Söhne tragen ihn.” Der 68-Jährige sagte, es wäre für ihn ein Rückschritt, seinen Söhnen zu raten, den Davidstern abzulegen, weil sie geschlagen werden könnten. “Ich würde vor der Gewalt, vor der Erwartung von Gewalt zurückweichen, ich würde ihnen Furcht vermitteln.”

Friedman betonte: “Es kann kein jüdisches Leben in der Moderne geben, wenn wir unseren Anspruch aufgeben, uns frei zeigen zu können. Jede jüdische Familie muss dieses Dilemma für sich verhandeln.” Er selbst sei sein Leben lang bedroht worden in Deutschland. “Aber ich glaube, dass Gesellschaft nur funktioniert, wenn man der Gewalt nicht weicht.”