Public Viewing in der Kirchengemeinde wird zum Dorffest

In vielen Kirchengemeinden gibt es zur Fußball-EM Public Viewing. Mit Bratwurst und Co. fühlt es sich beinahe so an wie beim Fanfest – nur familiärer. Ein Besuch in Hamburg-Nettelnburg.

In der Kirchengemeinde Nettelnburg haben Fans beim Deutschlandspiel gemeinsam mitgefiebert.
In der Kirchengemeinde Nettelnburg haben Fans beim Deutschlandspiel gemeinsam mitgefiebert.Marieke Lohse

Jubel, Fangesänge, ein buntes Meer aus Hüten und Hawaii-Ketten in Deutschlandfarben, Konfirmanden in Deutschland-Trikots: So sieht Public Viewing zur Europameisterschaft 2024 in der Bugenhagenkirche in Hamburg-Nettelnburg aus. Es ist das Spiel Deutschland gegen die Schweiz, das hier auf einer großen Leinwand im Gemeindesaal zu sehen ist. Gemeindepädagoge Daniel Perner hat das organisiert, „am Anfang war es als Familienaktion gedacht. Da hatten wir weniger die Jugendlichen im Blick. Aber die Konfis lassen sich sehr gut einladen, freuen sich und fragen: Ist heute wieder?“

Rund um das kleine Fanfest geht es nicht nur ums Fußballschauen. Wichtig ist vor allem das gemeinsame Erlebnis. „Es gibt immer was zu essen und zu trinken. Wir haben eine riesige Leinwand, und wir haben Leute, die einen freundlich begrüßen und die es einem so vorkommen lassen, als würde man hier gern gesehen sein“, sagt Perner.

Begrüßung mit Wurst vom Grill

Zum Begrüßungskomitee gehört Tobi. Von ihm gibt es draußen vor dem Eingang eine Stärkung vor dem Spiel. „Eine Grillwurst geht immer“, sagt er. „Hier gibt es natürlich auch vegetarische Varianten wie den Grillkäse oder eine vegane Wurst und Veggie-Griller. Sehr lecker!“ Tobis persönlicher Favorit: „Die Krakauer ist echt super! Schmeckt fast jedem. Und das im Brötchen: Da kommt Freude auf.“

Mit Bratwurst in der Hand geht es in geselliger Runde auf dem Kirchplatz weiter. Nach und nach trudeln Zuschauer und Fußball-Begeisterte ein. Zum Beispiel Nadine im markanten Fan-Outfit: schwarzes Oberteil, schwarzer Rock und dazu eine Deutschlandfahne umgebunden, Haarreifen und Kette in Schwarz-Rot-Gold um den Hals.

Zu Hause sitzt du nur mit Chips vor dem Fernseher

Bereits eine Stunde vor Anpfiff sorgen die Kinder und Jugendlichen draußen auf dem Kirchenrasen für Fußballstimmung: Groß kickt gegen Klein und stimmt sich schon mal auf das Spiel ein. Das mache die Stimmung hier so locker und angenehm, sagt Perner. Einige schauen dann gebannt das Spiel, andere stehen auf, holen sich Bratwurst und Getränke, Kinder wuseln von drinnen nach draußen – das gehört zum Gemeinschaftserlebnis.

„Es ist einfach nett hier in dörflicher Atmosphäre“, freut sich Klaus-Peter. „Also auf unserem Dorfplatz trifft man sich eigentlich nicht nur zum Fußball, sondern auch bei vielen anderen Gelegenheiten. Hier ist immer viel los, und das macht ein bisschen den Charakter des gesamten Viertels aus.“

Warum die Gemeindemitglieder heute alle hier in der Kirche schauen und nicht auf der Fanmeile: „Die Stimmung ist gut, bringt die Leute zusammen, und man kann sich unterhalten. Zu Hause sitzt du nur vor dem Fernseher und isst Chips“, meinen Konfis. „Und es ist in der Nachbarschaft, das finde ich schön“, ergänzt Mutter Kim.

Famililiäre Umgebung in der Kirchengemeinde

Als „familiär“ beschreiben viele Gäste die Atmosphäre. Daniel Perner erklärt: „Die Leute kennen sich untereinander von Gemeindefesten und Gottesdiensten. Deswegen habe ich das Gefühl, es geht um mehr als nur um Fußball.“ Das gemeinsame Erlebnis und zusammen auf etwas hinfiebern sei das verbindende Element. Frei nach dem Motto: mittendrin statt nur dabei!

Vorab gab es einiges zu beachten, Gema-Richtlinien zum Beispiel. „An die mussten wir uns halten, aber wir haben auch Infos vom Kirchenkreis bekommen.“ Die gibt es für alle Gemeinden, die an einem Public Viewing Interesse haben. „Und die UEFA hat auf ihrer Seite auch gut durchgelotst, was wir alles benötigen und ab wann man eine Lizenz braucht“, berichtet der Gemeindepädagoge.

Warum sich Public Viewing für die Kirchengemeinde lohnt, hat Kim erkannt: „Ich persönlich finde das total schön, dass die Kirche sich auch für solche weltlichen Veranstaltungen öffnet. Der klassische Gottesdienst zieht nicht immer, aber dieses Zusammenkommen in der Gemeinde ist trotzdem total wichtig.“ Und da, findet sie, passe Fußball wunderbar rein. „Zusammenkommen, miteinander schwatzen, sich auch neu kennenlernen. Ja, und für mich natürlich auch einfach gucken“, ergänzt Perner. Fazit: Public Viewing in der Kirchengemeinde – ein echtes Fußballfest!