Psychosoziales Zentrum gibt Sicherheit

Es ist an der Schnittstelle zwischen Sozial-, Gesundheitswesen und Menschenrechtsorganisationen: das Psychosoziale Zentrum für Geflüchtete (PSZ). Hier finden traumatisierte Menschen Unterstützung.

Sprachmittlerin und Afghanistan-Expertin Maliko Ghoriani (links) im Gespräch mit Psychotherapeutin Carina Heyde.
Sprachmittlerin und Afghanistan-Expertin Maliko Ghoriani (links) im Gespräch mit Psychotherapeutin Carina Heyde.Nicole Esch

Vera Erhabor sitzt entspannt in der Küche des Psychosozialen Zentrums für Geflüchtete Düsseldorf e.V. (PSZ) und tauscht sich mit einigen Mitarbeitenden aus. Was für sie zur Selbstverständlichkeit geworden ist, war vor zehn Jahren kaum denkbar. Da floh sie schwer traumatisiert aus Nigeria. Im PSZ fand sie Hilfe, das Zentrum wurde für sie ein Zuhause. „Ich wurde hier offen empfangen“, erzählt sie. „Ich bin auf Menschen getroffen, die meine Situation verstanden haben. Jedes Mal, wenn der Schmerz hochkommt, sind sie da. Sie sind jetzt meine einzige Familie.“

Mittlerweile kommt Erhabor nicht mehr als Klientin, sondern als Gast ins PSZ, denn sie gilt als „stabil“. Die Nigerianerin arbeitet in der Küche eines Kindergartens. Ihre Tochter beendet nächstes Jahr die Schule und will dann zur Uni, erzählt sie. Das Team des PSZ freut sich mit ihr. „Es ist immer wieder schön zu sehen, welche Entwicklung unsere Klientinnen und Klienten machen“, sagt Eva van Keuk, Leiterin der Psychotherapie des PSZ.

Vertrauen schaffen bei den Geflüchteten

Das PSZ Düsseldorf arbeitet als Beratungs- und Therapieeinrichtung für traumatisierte und psychisch belastete Geflüchtete an der Schnittstelle zwischen Sozial-, Gesundheitswesen und Menschenrechtsorganisationen, um den Geflüchteten zu ihrem Recht, zu einem Leben in Sicherheit und zu psychischer Gesundheit zu verhelfen. Ziel ist dabei auch, traumatisierte Klientinnen und Klienten zu unterstützen, ihre Fluchtgründe im Asylverfahren überhaupt nachvollziehbar darzulegen – und so einen Schutzstatus zu erhalten.

Fachkräfte aus den Bereichen Psychologie, Psychotherapie, Medizin, Pädagogik, Recht, Ethnologie, Sozialarbeit, Sozialpädagogik, Verwaltung und Ökonomie helfen bei verschiedenen Problemen. „Die Interdisziplinarität ist das Besondere am PSZ und unterscheidet uns von anderen Beratungsstellen“, so van Keuk. Eine wichtige Aufgabe übernehmen die Sprachmittlerinnen und -mittler, welche die mehr als 30 Sprachen der Klientinnen und Klienten übersetzen können. „Ohne diese Kolleginnen und Kollegen, unser ,Sprachrohr‘, würde es uns nicht gelingen, Vertrauen zu schaffen.“

Medizinerin Subanki Raveendranathan, die ehemalige Klientin Vera Erhabor, Sozialpädagogin Sabine Rauch und Kinder- und Jugendtherapeutin Albana Alsen im Therapieraum für Kinder.

Kommen Klientinnen und Klienten ins PSZ, steht der Beziehungsaufbau an erster Stelle, erzählt Psychotherapeutin Carina Heyde. „Es ist wichtig, ihnen einen sicheren Raum zu bieten. Hier können sie weinen, erzählen und auch lachen.“ Auf den Vertrauensaufbau folgt die Traumatherapie. „Wir bekommen oft zu hören, dass wir die ersten sind, mit denen sie über ihre Traumata reden können“, sagt Sprachmittlerin und Afghanistan-Expertin Maliko Ghoriani.

Bei Bedarf bekommen die Geflüchteten auch medizinische Betreuung, etwa im Rahmen des „Ex:To“-Projekts, bei dem Spuren schwerer Gewalt und Folter dokumentiert werden. Dies kann wichtig werden, wenn im Asylverfahren die Glaubhaftigkeit des Leidens dargestellt werden muss, erklärt Ärztin Subanki Raveendranathan.

Auch bei rechtlichen Problemen hilft das PSZ. Ethnologin Barbara Eßer und ihr Team schauen sich die Unterlagen an, welche die Klientinnen und Klienten mitbringen und machen sich so ein Bild davon, wie die rechtliche Situation ausschaut. „Es ist wichtig, dass die Klientinnen und Klienten aufenthaltsrechtlich schnell Sicherheit bekommen. Dann haben sie neue Lebensperspektiven. Wenn sie wissen, dass sie sich hier betätigen können, kann das unglaubliche Ressourcen frei machen“, so Eßer.

Fachkräfte für verschiedene Probleme

Im PSZ finden auch Kinder und Familien Hilfe. Sozialpädagogin Sabine Rauch, zuständig für die transkulturelle Arbeit mit geflüchteten Familien, erklärt: „Viele Mütter sind mit ihren Kindern alleine gekommen, das ist eine große Herausforderung.“ Mit Hilfe von muttersprachlichen Fachkräften schaffen es die meisten, ihren Platz im hiesigen System zu finden.

Auf niedrigschwelliger Ebene helfen die vielsprachigen „Stabilisierungsbegleiterinnen und -begleiter“ den Bewohnerinnen und Bewohnern in Düsseldorfer Gemeinschaftsunterkünften – wie Nataliia Peresypkina, die ukrainisch- und russischsprachige Menschen begleitet. „Oft kommen die Menschen mit praktischen Fragen zu mir und möchten etwa wissen, wie ihr Kind einen Therapieplatz erhalten kann“, erzählt sie. Peresypkinas Team erkennt aber auch frühzeitig psychische Probleme, hilft mit praktischen Übungen und Gesprächsangeboten auf 14 Sprachen und kann in die Regelversorgung vermitteln – damit Probleme erst gar nicht entstehen.

Ein Projekt, das Klientinnen und Klienten des PSZ sich gewünscht haben, ist der Trauerort. Neben der Bergerkirche in der Düsseldorfer Altstadt wurde mit Unterstützung von Diakonie, Stadt, Landeskirche und Evangelischem Kirchenkreis ein transkultureller Garten angelegt, damit Menschen in der Fremde einen Ort haben, an dem sie religionsübergreifend trauern können.

Psychologin Eva van Keuk leitet die Psychotherapie des PSZ Düsseldorf.

Auch wenn das PSZ schon seit 36 Jahren Geflüchtete versorgt, gibt es immer wieder Schicksale, die beim Team besonders hängen bleiben: beispielsweise eine junge Afghanin, die mit 14 Jahren in die Ukraine zwangsverheiratet wurde und dort unter schlimmsten Bedingungen gelebt hat. Oder eine Krebspatientin, die während ihrer Chemotherapie in einer Gemeinschaftsunterkunft unter schwierigen hygienischen Verhältnissen existieren musste. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben gelernt, mit den Schicksalen, denen sie täglich begegnen, professionell umzugehen. Supervision und Fortbildung sind dabei wichtig. Trotzdem komme es vor, dass weiterer Gesprächsbedarf besteht. „Da ist dann auch immer eine Kollegin, die sich die Zeit nimmt“, sagt van Keuk.

Im vergangenen Jahr hat das PSZ knapp 600 Klientinnen und Klienten sowie deren 540 Angehörige versorgt und rund 500 psychisch belastete Geflüchtete niedrigschwellig in den Unterkünften erreicht. Der Bedarf sei jedoch drei- bis fünfmal so hoch.

Mehr finanzielle Unterstützung nötig

„Wir haben uns in den vergangenen Jahren schon vergrößert und sehen keine Möglichkeit mehr, noch weiter zu wachsen. Es sei denn, wir erhielten gleichzeitig die entsprechende finanzielle Unterstützung – denn aktuell kämpfen wir jährlich darum, unser PSZ in der aktuellen Größe durchzubringen“, so van Keuk. Die Finanzierung besteht aus zahlreichen Fördertöpfen, für die regelmäßig Anträge geschrieben werden müssen, um die Fachkräfte bezahlen, Miete und mehr finanzieren zu können.

„Ähnlich verhält es sich bei den anderen vier PSZ in Bielefeld, Dinslaken, Lüdenscheid und Hagen, ebenfalls Mitglieder bei der Diakonie RWL. Diese Zentren leisten sehr wichtige Arbeit“, sagt Karin Wieder, Referentin für Flüchtlingsarbeit bei der Diakonie RWL. „Wir sind froh, dass wir sie auf den unterschiedlichen Arbeitsebenen vernetzen können, damit sie so ihre wertvolle Expertise einbringen. Die Förderung des Landesprogramms ,Soziale Beratung von Geflüchteten‘ des Ministeriums für Kinder, Jugend, Familien, Gleichstellung, Flucht und Integration bildet einen wichtigen finanziellen Grundstock für die Beratungsstellen, belässt aber einen hohen finanziellen Eigenanteil bei den Trägern. Hier ist dringend Aufstockung erforderlich.“