Psychologin zu Rücktritt: Malu Dreyer hat Vorbildcharakter

Ehrlich sagen, wenn man nicht mehr kann: Das offene Eingeständnis von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), dass ihre Kraft nicht mehr reiche, zeigt nach den Worten einer Sozialpsychologin ein hohes Maß an Selbstakzeptanz.

Der Rücktritt der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer zeigt nach Angaben der Sozialpsychologin Sabine G. Scholl ein “hohes Maß an Selbstbewusstsein und Selbstakzeptanz” der Politikerin, wie Scholl im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) erläuterte. Die SPD-Politikerin Dreyer hatte Mitte Juni nach elf Jahren Amtszeit erklärt, dass ihre Kraft für das Amt nicht mehr reiche. “Ich bin einfach nur müde”, hatte die 63-Jährige gesagt. An diesem Mittwoch verabschiedet sich die Politikerin von der großen politischen Bühne.

“Dieses Eingeständnis wirkt authentisch und stärkt das Vertrauen in sie”, erklärte Scholl, die an der Hochschule Heilbronn zu Verletzlichkeit und Selbstmitgefühl forscht. Schwäche zeigen zu können, sei eine Stärke. Für Dreyer sei es sicherlich nicht einfach gewesen, sich mit dieser Nachricht vor die Presse zu stellen. “Sie schickt damit aber auch eine Einladung an andere heraus, sie nun weiterhin auf ihrem Weg zu unterstützen. Und gleichzeitig reduziert sich für sie damit auch der Druck”, so Scholl.

Dreyer hatte erklärt, dass ihr Rückzug für sie “eine schwere Entscheidung” gewesen sei. Sie wolle aber Platz machen für jemanden, der das Ministerpräsidentenamt “mit ganz viel Kraft” übernehme – das hätte das Land verdient. Bis zur nächsten Landtagswahl in Rheinland-Pfalz im Frühjahr 2026 soll der bisherige Arbeits- und Sozialminister Alexander Schweitzer (SPD) übernehmen. Dreyer hatte schon vor vielen Jahren öffentlich gemacht, an Multipler Sklerose erkrankt zu sein.

Der Professorin Scholl zufolge gehört es zum “Sein” eines jeden Menschen dazu, Schwächen zu haben. “Das muss man für sich selbst erkennen. Dann erlaubt man es sich auch, solche Schritte zu gehen”, sagte Scholl. Seine eigenen Gefühle anzuerkennen und in der Lage zu sein, Selbst-Mitgefühl zu empfinden, ermöglichten es, aus den Schwächen Konsequenzen zu ziehen.

Der verfrühte Rückzug Dreyers hat Scholls Ansicht nach zudem “Vorbildcharakter”. Kraftlosigkeit sei kein typischer Rückzugsgrund. “Nur wenn Menschen den Mut haben, ihre Schwäche einzugestehen, können andere es ihnen nachmachen.” Die SPD-Politikerin selbst hatte theoretisch auch ein Vorbild, an dem sie sich orientieren konnte: Ihr Vorgänger Kurt Beck (SPD) hatte nach 18 Jahren als Ministerpräsident Rheinland-Pfalz’ 2012 seinen Rücktritt angekündigt – ebenfalls aus gesundheitlichen Gründen. Auf ihn folgte 2013 Malu Dreyer.