Psychologin: Darum schauen viele Menschen grausame Hamas-Videos

Videos von Gräueltaten der Hamas anzusehen, ist laut einer Psychologin „eine der zerstörerischsten Sachen“, die Menschen ihrer Seele zufügen können. Dennoch setzten sich viele in Israel und anderswo diesen Bildern aus, sagte Ayelet Gundar-Goshen im Interview der „Süddeutschen Zeitung“ (Donnerstag). Den meisten sei nicht bewusst, wie viel Schaden sie damit in sich selbst anrichteten.

Manche würden von reiner Neugier getrieben, „aber das ist die Minderheit“, erklärte die Expertin. Vor allem unmittelbar Betroffene verspürten eher die Hoffnung, „so irgendwann zu verstehen, was genau geschehen ist und warum“. Sie gingen – fälschlicherweise – davon aus, dass sie etwas Ähnliches in Zukunft verhindern oder unter Kontrolle bringen könnten, wenn sie „noch einmal alle Details durchgehen“.

Andere hätten das Gefühl, sie seien es den Opfern schuldig, deren Situation genau zu betrachten: „Weil man sie nicht beschützen konnte, nicht vor Ort war, als man gebraucht wurde. Nun selbst zum Zeugen zu werden, sei das Mindeste, was man noch für die Opfer tun könne.“ Tatsächlich hielten diese Aufnahmen die Menschen davon ab, zu schlafen und „zu funktionieren“, mahnte Gundar-Goshen. Mediziner im ganzen Land warnten deshalb davor.

In der Zeit nach dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober hätten Menschen kursierende Videos auch genutzt, um Informationen über ihre Liebsten zu finden, fügte die Psychologin hinzu. Sie hätten die Kanäle der Terrororganisation „aus purer Verzweiflung“ durchsucht und mitansehen müssen, was mit ihren Verwandten oder Freunden passiert sei. Auch für Helfer sei der Umgang damit eine Herausforderung gewesen: „Nach einer Terrorattacke ist normalerweise das Erste, was wir sagen: ‚Es ist vorbei. Du bist an einem sicheren Ort.‘ Wie sollen wir das in einer Situation nach dem 7. Oktober behaupten?“

Wichtig sei gewesen, einfach da zu sein, „die Zeit mit den Betroffenen zusammen durchleben“. Psychische Betreuung könne ein Trauma nicht auslöschen: „Wir können diesen Menschen nicht ihre Kinder zurückbringen, die vor ihren Augen verbrannt wurden, ihre Freunde, die erschossen wurden, oder ihre Freundinnen und Ehefrauen, die vergewaltigt und ermordet wurden. Aber wir können ihnen helfen, mit dem Schmerz und den Erinnerungen zu leben“.