Psychologe: EM kann Menschen in die Spielsucht treiben

Manche Menschen beschränken sich bei ihren Fußballwetten auf die Familiengruppe, andere aber tippen bei professionellen Wettanbietern. Das Suchtpotenzial dabei sei hoch, warnt der Glücksspielforscher Tobias Hayer.

EM-Zeit ist Wett-Zeit: Zahlreiche Menschen tippen auf die Ergebnisse der Fußball-Europameisterschaftsspiele nicht nur in Familiengruppen oder im Freundes- oder Kollegenkreis, sondern auch bei professionellen Wettanbietern. Das Suchtpotenzial ist dabei allerdings hoch, warnt der Psychologe und Glücksspielforscher Tobias Hayer von der Universität Bremen im Interview mit dem Magazin “Der Spiegel” (Freitag).

“Viele Menschen glauben, eine gewisse Expertise im Fußball zu haben. Die Zocker unter ihnen wollen mit ihrem vermeintlichen Wissen einfach und schnell so viel Geld wie möglich machen”, erklärte Hayer. Für eine Live-Wette müsse man nur das Handy zücken und könne schon nach kurzer Zeit das Ergebnis sehen. “Hat man ein Spiel richtig getippt, führt man den Gewinn auf den eigenen Sachverstand zurück. Das ruft geradezu danach, eine weitere Wette zu platzieren”, so Hayer weiter. Das Suchtpotenzial sei hoch.

Vor allem junge Männer hätten ein höheres Risiko, süchtig nach Sportwetten zu werden. “Sie sind impulsiver als Frauen und richten ihr Verhalten eher auf schnelle Bedürfnisbefriedigung aus”, sagte Hayer. Würden Menschen falsch wetten, wären Ausreden nicht weit: Dann hätte etwa der Schiedsrichter früher abpfeifen müssen. Hayer: “So rechtfertigt es der Zocker vor sich, die nächste Wette einzugehen, und so ist der Weg in die Sucht dann nicht mehr weit.”

Dem Wissenschaftler zufolge leiden in Deutschland rund 1,4 Millionen Menschen unter Glücksspielsucht, hinzu kämen 3,5 Millionen Menschen, die ein riskantes Glücksspielverhalten an den Tag legen würden. Unter den Süchtigen gibt es laut Hayer verschiedene Typen: Ein Automatenspieler sei “eher ein Verdränger”. Dieser wolle ähnlich wie ein Alkoholiker Problemen entfliehen und Belastungen ausblenden. Wer süchtig sei nach Sportwetten sei hingegen eher ein “Kokser der Glückspiels”, der nach Action und Adrenalinkick strebe.

Der Glücksspielforscher sprach sich für strengere Werberegeln aus: “Ich würde mir wünschen, dass Werbung für Glücksspiel, vor allem für Sportwetten, auf ein Minimum reduziert, wenn nicht sogar verboten würde”, sagte Hayer.