Nach dem tödlichen Angriff in Aschaffenburg warnt Sozialpsychologe Ulrich Wagner vor einer wachsenden Ausländerfeindlichkeit. Die Gesellschaft für Psychiatrie fürchtet eine Stigmatisierung psychisch kranker Menschen.
Der Marburger Sozialpsychologe Ulrich Wagner warnt nach dem tödlichen Angriff in Aschaffenburg vor einer zunehmenden Ausländerfeindlichkeit. „Die Taten in Aschaffenburg und an anderen Orten, und die politische Debatte darüber, fördern Ängste und Fremdenfeindlichkeit in der Gesellschaft“, sagte er der „Rheinischen Post“ (Freitag). Psychologisch sei das ein einfacher Lernmechanismus, so der Psychologe. “Wir erleben wiederholt, dass Zuwanderung mit Gewalt in Zusammenhang gebracht wird und kommen zu dem Schluss, dass alle Zuwanderer gefährlich sind.“
Wagner betonte, dass viele Täter in unsicheren Situationen oder vor der Abschiebung stünden. “Wenn Menschen ohne Perspektive über Monate in Gemeinschaftsunterkünften bleiben müssen und nicht in Arbeit kommen, kann das psychische Anfälligkeiten verstärken.” Es sei daher wichtig, an die Ursachen heranzugehen. Fachleute würden fordern, Verfahren zu beschleunigen, damit Betroffene in ein geordnetes Leben kämen.
Dem Sozialpsychologen zufolge lassen sich solche Taten wie in Aschaffenburg nicht vollständig verhindern. Bei dem Messerangriff soll ein 28-jähriger Afghane am Mittwoch einen zweijährigen Jungen marokkanischer Herkunft und einen 41 Jahre alten Passanten mit einem Küchenmesser getötet haben. Wagner weist zudem auf Nachahmungseffekte hin: “Je häufiger man von solchen Taten liest, umso eher kopieren das andere.” Die Probleme nicht zu diskutieren, wäre jedoch auch völlig falsch. “Eine Lösung für dieses Dilemma gibt es nicht.“
Die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde, Euphrosyne Gouzoulis-Mayfrank, wies unterdessen darauf hin, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen nicht gewalttätiger seien als Menschen ohne psychische Erkrankungen. Nur bestimmte psychische Erkrankungen gingen mit einem erhöhten Risiko für Gewalttaten einher „und das auch nur unter bestimmten Bedingungen und wenn die Erkrankung nicht behandelt wird“, sagte sie dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND, Freitag). Im Einzelfall sei eine solche Gefährdung jedoch schwer bis unmöglich vorhersagbar.
Gouzoulis-Mayfrank sprach sich zudem gegen die Einführung eines Registers für psychisch kranke Straftäter aus. Allein die Diskussion befördere Vorurteile und schüre Angst vor Stigmatisierung. Psychiater und Therapeuten könnten bereits jetzt tätig werden, wenn sie Hinweise darauf erhielten, dass ein Patient eine Gefahr für sich oder andere darstelle.