Priesterberuf ist für die meisten katholischen Männer unattraktiv

Wissenschaftler der Universität Bochum sehen Reformbedarf beim Priesterberuf. Sowohl beim Berufsbild des katholischen Priesters als auch bei der Ausbildung müsse umgesteuert werden, sagte der Direktor des Bochumer Zentrums für angewandte Pastoralforschung, Matthias Sellmann, am Freitag bei der Vorstellung der Studie „Wer wird Priester?“.

Probleme gebe es sowohl bei der Frage, wer sich überhaupt berufen fühle, Priester zu werden, als auch beim Amts- und Aufgabenverständnis der Priester, sagte Sellmann. Zugleich sehe er aber einen hohen Bedarf für seelsorgerliche Angebote für die Gesellschaft.

In Deutschland wollen der Studie zufolge nur noch wenige junge katholische Männer Priester werden, und die Kandidaten kommen mehrheitlich aus konservativen, traditionalistischen und kinderreichen katholischen Familien, die aber nur rund zehn Prozent der Familien in Deutschland ausmachten. Damit seien Priesteramtskandidaten „Exoten“, sagte Nikita Katsuba, der die Untersuchung erstellt hat.

Im Schnitt waren die Befragten 37 Jahre alt, 97 Prozent wurden in Deutschland geboren, 93 Prozent hatten keinen Migrationshintergrund. Mangelnde Akzeptanz des Zölibats und das schlechte Image der Kirche, das auch durch die Missbrauchsfälle in der eigenen Institution verursacht werde, sieht der Studie zufolge eine Mehrheit der Befragten als Gründe dafür, dass der Beruf für katholische Männer unattraktiv sei. Immerhin mehr als 60 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche ein größeres Problem ist als anderswo. Mehr als die Hälfte sagt aber auch, Missbrauch werde in den Medien „hochgespielt“.

Sellmann führte weiter aus, dass zudem viele Priester zwar Seelsorger sein wollten, aber nicht Chef oder Manager, was eine Anforderung des Berufs etwa in der Gemeindeleitung sei. Zudem fremdele die Mehrheit der Befragten mit kirchlichen Reformanliegen. Sie hätten nicht den Anspruch, Innovatoren zu sein, sagte er. So glauben etwa nur rund 30 Prozent der Befragten, die Kirche müsse in Zukunft hierarchieärmer und demokratischer werden. Noch weniger sind der Auffassung, die Kirche müsse Priestern die Ehe erlauben. Am seltensten sind die Befragten (25,7 Prozent) überzeugt, die katholische Kirche müsse Frauen in ihren Ämtern zulassen.

Die Wissenschaftler plädieren dafür, das Berufsbild des Priesters auch in bildungsschwächeren und nicht-bürgerlichen Milieus bekannter zu machen. Entscheidend sei auch, wie das Berufsbild in der Öffentlichkeit dargestellt werde. In Werbekampagnen der Kirche für das Priesteramt würden meist Männer vor dem Altar beim Gottesdienst gezeigt, sagte Sellmann. Zudem müsse man Menschen, die Führungsverantwortung übernehmen wollen, den Beruf als Möglichkeit aufzeigen.

Die Bischofskonferenz reagiert auf den Reformbedarf mit einem neuen Konzept für die Priesterausbildung. Das Konzept werde derzeit final abgestimmt, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Bischofskonferenz, Michael Gerber. Außerdem denke man in vielen Bistümern bereits darüber nach, seelsorgerliche Aufgaben und Verwaltungsaufgaben zu trennen und diese Laien zu übertragen, sagte der Bischof von Fulda.

Für die Studie wurden 847 Priester angefragt, die zwischen 2010 und 2021 geweiht wurden, sowie 1.668 Abbrecher der Priesterausbildung. Antworten erhielten die Forschenden von 153 Priestern und 18 ehemaligen Anwärtern. Der Untersuchungszeitrum erstreckte sich von Oktober 2021 bis Februar 2022.