Priester in Zivil

Kommt mit zum Volk des Eigentums, das verpflichtet. Gedanken zum 6. Sonntag nach Trinitatis. Von Eckart Wragge, Pfarrer im Ruhestand in Berlin.

Predigttext am 6. Sonntag nach Trinitatis: 1. Petrus 2,2–10

Seid begierig nach der vernünftigen lauteren Milch wie die neugeborenen Kindlein, auf dass ihr durch sie wachset zum Heil, da ihr schon geschmeckt habt, dass der Herr freundlich ist. Zu ihm kommt als zu dem lebendigen Stein, der von den Menschen verworfen ist, aber bei Gott auserwählt und kostbar. Und auch ihr als lebendige Steine erbaut euch zum geistlichen Hause und zur heiligen Priesterschaft, zu opfern geistliche Opfer, die Gott wohlgefällig sind durch Jesus Christus. Darum steht in der Schrift (Jesaja 28,16): „Siehe, ich lege in Zion einen auserwählten, kostbaren Eckstein; und wer an ihn glaubt, der soll nicht zuschanden werden.“ Für euch nun, die ihr glaubt, ist er kostbar. Für die aber, die nicht glauben, ist er „der Stein, den die Bauleute verworfen haben; der ist zum Eckstein geworden“ (Psalm 118,22) und „ein Stein des Anstoßes und ein Fels des Ärgernisses“ (Jesaja 8,14). Sie stoßen sich an ihm, weil sie nicht an das Wort glauben, wozu sie auch bestimmt sind. Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum, ein heiliges Volk, ein Volk zum Eigentum, dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat aus der Finsternis in sein wunderbares Licht; die ihr einst nicht sein Volk wart, nun aber Gottes Volk seid, und einst nicht in Gnaden wart, nun aber in Gnaden seid (Hosea 2,25).

Predigtgedanken von Eckart Wragge:

Feiern Sie lieber allein oder in Familie? Singen Sie lieber allein oder im Chor? Sitzen Sie lieber für sich oder in einer vollen Kirche? Der 1. Petrusbrief stellt sich eine „Priesterschaft in Zivil“ vor, vielleicht 50 Männer, Frauen und Kinder. Es ist die überschaubare Gemeinde, wie wir sie Sonntag für Sonntag erleben. „Wir brauchen im Gottesdienst nicht 50 Menschen, sondern 500“, wünschte sich ein Erweckungsprediger. Aber wir sind sonntags viele kleine Gemeinden. Jede bildet für sich eine Priesterschaft, eine Gemeinschaft der Gläubigen.Kommen wir also bewusst herbei, aus allen Ecken des großen Kirchsaals! Rotten wir uns vorne zusammen. Spüren wir, wie das ist, eine kleine, radikale Minderheit zu sein! Umarmen ist erlaubt, ja erwünscht. Wiedersehensfreude! Wir sind die „königliche Priesterschaft“. Das erfüllt uns mit Stolz. Nicht als Knechte versammeln wir uns, sondern als Kämpfer und Kämpferinnen unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus. Nicht „im Netz“ kommunizieren wir am Sonntag, sondern analog. Es duftet nach Kaffee und Menschen.

Wir suchen in den Worten das Wort Gottes. Wir sind das „heilige Völkchen“. Alle Bosheit, Neid und üble Nachrede legen wir ab. Wir sind das „Volk des Eigentums“. Und Eigentum verpflichtet.Es ist toll, schon im Vorraum der Kirche Bekannte zu treffen. Das beste Mittel gegen Einsamkeit ist es, sonntags in die Kirche zu gehen. Nach ein paar Wochen treffen Sie ähnlich Gesinnte, Mitstreiter*innen und neue Gesichter.

Ausgabe kaufen und weiterlesen