Prediger stimmt Weltsynode auf kulturelle Gräben ein
Vier theologische Impulse hat Pater Radcliffe den Teilnehmern der Weltsynode vor ihren Beratungen mitgegeben. Am zweiten Besinnungstag sprach er vom post-westlichen Zeitalter und Spannungen in der Kirche.
Der englische Dominikanerpater Timothy Radcliffe hat den Teilnehmern der Weltsynode im Vatikan Mut gemacht. Am Dienstag, dem zweiten Besinnungstag vor Beginn der Beratungen, sagte er: “Wir müssen es wagen, darauf zu vertrauen, dass die göttliche Vorsehung diese Synode reichlich segnen wird. (…). Wir sind nicht hier, um eine karge Mahlzeit einzunehmen, sondern um die Haute Cuisine des Reiches Gottes zu genießen”, so der Ordensmann.
Als größte Herausforderung bezeichnete er die Einbeziehung aller Kulturen. Dies sei noch bedeutsamer als die Überwindung des “giftigen Gegensatzes zwischen Traditionalisten und Progressiven” und einer Polarisierung, die dem Katholizismus fremd sei.
In Anspielung an eine Erzählung in der Bibel fragte Radcliffe: “Wie können wir das Netz mit seinen Fischen aus allen Kulturen der Welt einholen? Wie kann das Netz nicht zerrissen werden?” Weiter führte der langjährige Generalmeister des weltweiten Dominikanerordens aus: “Wir leben in einer multipolaren Welt, in der viele Menschen aus dem globalen Süden den Westen als dekadent und dem Untergang geweiht ansehen. Wir leben in einer post-westlichen Welt.”
Radcliffe ging auch auf den Streit in der Kirche um die Segnung Homosexueller ein. Als der Vatikan diese im vergangenen Jahr mit dem Dokument “Fiducia supplicans” genehmigte, hätten sich viele Mitglieder der Synode verraten gefühlt.
Doch die Kirche könne nur dann zu einer Vertrauensgemeinschaft werden, wenn alle “das Risiko eingehen, einander zu vertrauen, auch wenn wir verletzt worden sind”, betonte der Geistliche und fuhr fort: “Wir vertrauen darauf, dass diese Synode mit der Gnade Gottes Früchte tragen wird, auch wenn wir nicht vorhersehen können, welche das sein werden, und es vielleicht nicht das ist, was wir uns wünschen.”
Ausführlich sprach Radcliffe über die Pflicht der Kleriker, Rechenschaft gegenüber der Basis abzulegen. Er erklärte: “Ein Versagen der Transparenz und der Rechenschaftspflicht korrumpiert den Kern der priesterlichen Identität. Die Transparenz von Petrus, dem Sünder, ist die Grundlage seiner Autorität. Es kann keine Vertuschung geben. Von uns wird nicht erwartet, dass wir alle unsere Sünden offen bekennen, aber zumindest dürfen wir keine Heuchler sein. Das Volk Gottes ist schnell bereit, alles zu vergeben, außer Heuchelei.”