Politologe: Darum wählen Türken in Deutschland Erdogan

Zwei Drittel der in Deutschland lebenden Türken haben für Erdogan gestimmt. Für den Politologen Burak Copur ist das eine Protestwahl – bei der Deutschland getroffen werden soll.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bei einer Wahlkampfveranstaltung
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bei einer WahlkampfveranstaltungImago / Nur Photo

Türken, die in Deutschland bei der türkischen Präsidentschaftswahl für Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan gestimmt haben, wollten damit aus Sicht des Politikwissenschaftlers Burak Copur ein Zeichen gegen die Bundesrepublik setzen. „Die Abstimmung ist eine Protestwahl. Die Erdogan-Unterstützer wollten Deutschland einen Denkzettel verpassen“, sagte der Politologe im Interview dem Spiegel.

Rund zwei Drittel der in Deutschland lebenden Türken, die ihre Stimme abgegeben hatten, hatten vergangene Woche für die Wiederwahl Erdogans gestimmt. Der türkische Präsident genieße bei seinen Anhängern „eine Art ‚Führerkult'“, so Copur. Dazu tragen aus seiner Sicht auch Versäumnisse in der deutschen Integrationspolitik bei. „Viele seiner Befürworter fühlen sich hierzulande diskriminiert und nicht anerkannt. Aus diesem Grund klammern sie sich umso mehr an ihren vermeintlich starken Präsidenten, der sie emotional in der ‚Fremde‘ abholt und ihnen ein Wir-Gefühl vermittelt.“

„Verdeckter Wahlkampf“ in Moscheen

In den Moscheen der türkisch-islamischen Union Ditib habe in Deutschland zudem ein „verdeckter Wahlkampf“ für Erdogans Partei AKP stattgefunden, so der Politikwissenschaftler. „Bei etlichen Veranstaltungen, die als Fastenbrechen angekündigt wurden, traten AKP-Abgeordnete auf und umgingen so geschickt das Auftrittsverbot.“ Auch habe die Ditib Busse für die Menschen organisiert, um sie von der Moschee direkt ins Wahllokal zu bringen.

In der ersten Wahlrunde verpasste Erdogan mit 49,5 Prozent die erforderliche absolute Mehrheit für eine direkte Wiederwahl. Am 28. Mai wird er in der Stichwahl gegen den mit 44,9 Prozent Zweitplatzierten Kemal Kilicdaroglu antreten. In Deutschland holte Erdogan nach offiziellen Angaben 65 Prozent der Stimmen.