Politisch motivierte Kriminalität: Zahlen sinken, Niveau bleibt hoch

Die Anzahl politisch motivierter Straftaten in Niedersachsen ist 2023 im Vergleich zum Vorjahr um etwa zehn Prozent auf 4.596 Taten gesunken. „Die Zahl liegt allerdings weiterhin deutlich über dem Zehnjahresmittelwert von 3.998 Taten“, teilte Innenministerin Daniela Behrens (SPD) am Montag in Hannover mit. Einen deutlichen Anstieg habe es bei politisch motivierter Kriminalität von rechts gegeben, im linken Bereich seien die Zahlen rückläufig. „Die größte Gefahr für unseren Rechtsstaat geht ganz klar von rechts aus.“

Die maßgeblichen Gründe für den Rückgang stellen der Innenministerin zufolge die geringer werdenden Nachwirkungen der Corona-Pandemie sowie des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine dar. Ferner habe es in Niedersachsen 2023 keine überregionalen Wahlen gegeben, in deren Zuge oft ein Anstieg politisch motivierter Straftaten registriert werde.

Die Anzahl der politisch motivierten Gewaltdelikte ist 2023 laut Statistik auf 192 zurückgegangen (2022: 296). Den größten Anteil bildeten 73 Gewaltstraftaten, die nicht klar einem politischen Spektrum zugeordnet werden konnten, gefolgt von 63 Gewaltdelikten mit rechter und 35 mit linker Tatmotivation.

Die Anzahl antisemitischer Straftaten ist von 216 Taten im Jahr 2022 auf 349 im Jahr 2023 angestiegen. Davon waren dem Innenministerium zufolge 244 rechts motiviert, gefolgt von 67 Taten, deren Hintergrund einer ausländischen Ideologie zuzuordnen ist.

Die Taten im Bereich der ausländischen Ideologie sind insgesamt deutlich angestiegen: von 164 (2022) auf 402 (2023). Sie haben damit einen neuen Höchststand im Zehnjahresvergleich erreicht. Ausschlaggebendes Ereignis hierfür sei der Terrorangriff der Hamas auf Israel.

Im Bereich der religiösen Ideologie spielt der islamistisch geprägten Extremismus eine große Rolle. Die Anzahl der in diesem Zusammenhang registrierten Straftaten ist von 55 (2022) auf 87 (2023) gestiegen.

Zugenommen hat auch die Hasskriminalität im Bereich der LSBTIQ- sowie frauen- und männerfeindlichen Straftaten: 2023 wurden 195 Fälle erfasst, 2022 waren es noch 109. Die Straftaten gegen Amts- und Mandatstragende gingen dagegen zurück: Die Zahl sank von 537 (2022) auf 445 (2023).

Gesunken sind auch die Gesamtzahlen politisch motivierter Kriminalität von links. Sie erreichten mit 526 Taten den niedrigsten Wert im Zehnjahresvergleich. Weit überwiegend handle es sich um Sachbeschädigungen in Form von Graffiti im öffentlichen Raum, oft mit antifaschistischem Hintergrund.

Im Bereich der politisch motivierten Kriminalität von rechts sind die Taten der Statistik zufolge von 1.844 auf 2.313 deutlich angestiegen. Bei über der Hälfte der Taten handle es sich um Propagandadelikte durch das öffentliche Zurschaustellen verbotener Kennzeichen wie beispielsweise Hakenkreuze und SS-Runen. Die Zahl der rechts motivierten Gewaltdelikte ist 2023 von 69 Taten auf 63 zurückgegangen – darunter 15 gefährliche Körperverletzungen sowie Brandstiftungen mit ausländerfeindlichem Hintergrund. Die Straftaten rund um die Themen Ausländer und Asyl haben sich 2023 mit 235 Taten mehr als verdoppelt (2022: 110 Taten). In 167 Fällen wurden sie aus einer rechten Tatmotivation heraus begangen.

Behrens warnte davor, den Rückgang der Gesamtzahlen politisch motivierter Kriminalität zu nutzen, um politisch motivierte Straftaten zu relativieren. Vielmehr zeige die Statistik, dass fundamentale Werte des gesellschaftlichen Zusammenlebens von unterschiedlichen Gruppen angegriffen werden. Sie appellierte an die Bürger, wachsam zu sein. „Wir werden den Demokratiefeinden in unserer Gesellschaft nur dann die Stirn bieten können, wenn neben dem Staat und unseren Sicherheitsbehörden auch die anständigen und aufrechten Demokratinnen und Demokraten ihren Beitrag leisten.“