Die Kritik in Polen an der Reduzierung der Religionsstunden an den Schulen spaltet die Regierungskoalition. Zahlreiche Abgeordnete unterstützen gemeinsam mit der Opposition eine Initiative für mehr Religionsunterricht.
Kurz nach der umstrittenen Halbierung des Religionsunterrichts an Polens Schulen feiern die Befürworter des Wahlfachs einen Erfolg. Das polnische Parlament entschied sich am Freitag für die weitere Beratung über einen Gesetzentwurf einer Volksinitiative, wonach Schülerinnen und Schüler künftig jede Woche zwei Stunden Religions- oder Ethikunterricht besuchen müssen. Ein Antrag der mitregierenden Partei Lewica (Linke) für eine Ablehnung des Gesetzentwurfs scheiterte.
Neben den nationalkonservativen und rechten Oppositionsparteien stimmten auch einige Abgeordnete aus dem Regierungslager für die Weiterarbeit an dem Gesetzentwurf: nämlich die konservative PSL-Fraktion sowie Parlamentspräsident Szymon Holownia und ein Teil seiner Partei Polska 2050. Die größte Regierungsfraktion, die KO des liberal-konservativen Ministerpräsidenten Donald Tusk, lehnte hingegen die Initiative für die Stärkung der Schulfächer Religion und Ethik ab und unterstützte den Antrag der Linken.
Nun wird sich das Unterhaus des Parlaments, der Sejm, in seinen Ausschüssen mit dem Gesetzentwurf befassen, ihn möglicherweise ändern und dann in Zweiter Lesung im Plenum über ihn abstimmen. Die Vereinigung der Laienkatecheten und die rechtskonservative Organisation “Ordo Iuris” hatten für ihre gemeinsame Volksinitiative laut eigenen Angaben mehr als eine halbe Million Unterschriften gesammelt und sie im Juni beim Sejm eingereicht. Bereits 100.000 Unterschriften hätten genügt, um eine Beratung des Gesetzentwurfs im Parlament herbeizuführen.
Der Vorsitzende der Vereinigung der Laienkatecheten argumentierte am Freitag im Sejm, die zu Beginn dieses Schuljahrs erfolgte Reduzierung des Religionsunterrichts von zwei auf eine Wochenstunde führe zu einem Mangel an Wissen über Religion und Ethik. “Unser Gesetzentwurf zwingt niemandem etwas auf, sondern bietet die Wahl und die Möglichkeit, junge Bürger im Einklang mit dem Willen und den Überzeugungen ihrer Eltern zu erziehen”, erklärte er.
Vizebildungsministerin Katarzyna Lubnauer (KO) erteilte einer Pflicht zum Religions- oder Ethikunterricht in der Parlamentsdebatte eine Absage. Der Entwurf der Volksinitiative schränke das Recht der Eltern ein, ihre Kinder gemäß ihren eigenen Überzeugungen zu erziehen, und ihre Religionszugehörigkeit geheim zu halten, kritisierte sie. Bisher besuchen viele Schülerinnen und Schüler in Polen weder das Fach Religion noch Ethik.
Die katholischen Bischöfe hatten die Halbierung des Religionsunterrichts verurteilt. “Zum ersten Mal seit 1989 verstößt die Regierung gegen geltendes Recht und trifft Entscheidungen, die die Bedeutung des Religionsunterrichts in der Erziehung von Kindern und Jugendlichen in beispielloser Weise einschränken”, erklärten sie in einem Hirtenbrief, der Anfang September landesweit in Gottediensten verlesen wurde.