Pilz-Saison: Vorsicht und Rücksicht machen einen guten Sammler
Der sehr feuchte Hochsommer eröffnet für Pilzsucher Chancen auf einen reichen Fund. Aber so mancher landet auch durch Gier oder Leichtsinn im Krankenhaus.
Feucht und warm: das ist das Wetter, das Pilze lieben. Für Pilzsucher und -sammler ist das Freude und Gefahr zugleich: Ein echter Saisonbeginn schon im August lässt das Herz hüpfen. Doch die derzeitige Pilzflut im Hochsommer birgt auch eine Menge Tücken und Risiken, sogar für Leib und Leben. Wer sich nicht auskennt und den ausgefallenen Freibadbesuch einfach durch eine zünftige Suche im Wald ersetzen will, sollte sich vorsehen.
Denn erstens: Der Zyklus von Werden und Vergehen ist durch die teils heftigen Niederschläge in Kombination mit tropischer Schwüle rasant beschleunigt: Pilze schießen regelrecht aus dem Boden, werden schnell groß – aber vergammeln teils fast schon beim Zuschauen. Pilze enthalten viel Eiweiß; und das ist stark verderblich. Schneckenfraß ist dabei noch das geringere Problem. Man muss auch gönnen können – und eben mit der Natur selbst teilen. Fraßstellen großzügig abschneiden; das war’s.
Wenn Milben den Pilz befallen
Viel schlimmer, ja ein Ausschlusskriterium ist Maden- und Milbenbefall. Wo es am Stielansatz klein und dunkel krabbelt: Finger weg! Und auch wenn im Stiel kleine Kanäle zu sehen sind, durch die sich Schädlinge bis oben in den Hut gefressen haben: leider verloren – selbst wenn das Äußere noch höchst appetitlich aussieht.
Auch und gerade beliebte Sorten wie Sommersteinpilz und Maronenröhrling sind in diesen Tagen sehr stark durchsetzt. Bis zu zwei Drittel Verschnitt können die Folge sein. Und wer da sagt: So empfindlich bin ich ja gar nicht; der sollte wissen: Der Stoffwechsel dieser Kleinsttiere kann auch beim Menschen unangenehme Nebenwirkungen hervorrufen. Am besten schon im Wald mit einem Längsschnitt prüfen: Ist hier schon jemand drin?
Fehlende Erfahrung bringt noch weitere Risiken mit sich. Zweitens, nah verwandt zu erstens: Größe ersetzt nicht Frische! Ein riesiger Röhrling sieht super aus – und scheint auch den Finder um Zentimeter wachsen zu lassen. Da macht man beim Zustand schon mal ein Auge zu? Schwerer Fehler. Vielfach hat der Verfallsprozess bei übergroßen Pilzen schon länger eingesetzt, mit teils großen Gesundheitsrisiken. Hat ein Röhrling seine Druckfestigkeit verloren: lieber stehenlassen. Drittens: Ungeeignete Transportbehälter, die Frischluftzufuhr verhindern, beschleunigen den Verfall deutlich. Am schlimmsten: Pilze in dicken Plastiktüten oder in der Sonne hinter der Heckscheibe.
Ist das wirklich ein Champignon?
Viertens – und hier kann es tatsächlich lebensbedrohlich werden: keinen Pilz essen, den man nicht zweifelsfrei kennt! Leckeres oder knackiges Aussehen kann sehr leicht täuschen. Im Zweifel ganze Pilzfamilien weglassen, etwa alle Pilze mit weißen Lamellen. Gilt zum Beispiel der Perlpilz als einer der leckersten Pilze überhaupt, so sind seine allerengsten Verwandten unter den Wulstlingen stark bis tödlich giftig: Fliegenpilz, Pantherpilz und vor allem die oft recht harmlos aussehenden Knollenblätterpilze.
Gegen deren Gifte, die Amatoxine, hat die menschliche Leber kaum eine Chance; oft rettet nur eine sofortige Organtransplantation. Noch mal: Viele Knollenblätterpilze sehen für Ungeschulte aus wie leckere Champignons.
Auch fünftens rettet Leben: das der Pilze und des Waldes. Gier ist wie überall in der Natur ein schlechter Berater. Vielerorts, wie in der Eifel, gibt es Berichte über eine regelrechte Pilz-Mafia aus Asien oder Osteuropa. Sie schicke teils unkundige Menschen nachts mit Kopflampen in den Wald, um möglichst viele Pilze rauszuholen – und die tauglichen dann in den Handel oder an Restaurants zu verkaufen. Der Rest wird einfach weggeschmissen.
Ist das gut für den Wald?
Taxieren Sie den Frischezustand des Pilzes und schneiden nur den, der wirklich tauglich scheint. Und nehmen Sie nur so viele, wie Sie am selben Tag verarbeiten können und wollen: in frischen Gerichten, einer Suppe, vielleicht auch gedörrt, eingelegt oder eingefroren. Im Wald alles abschneiden und dann doch am Ende zuhause wegwerfen, weil die Lust vergangen ist, ist nicht fair.
Ein Tipp für Menschen, die auch neue Arten kennenlernen wollen: nicht den ganzen Fund schneiden in der vagen Hoffnung, dass die Sorte am Ende essbar sein könnte. Lieber Handy-Fotos aus verschiedenen Perspektiven machen und nur ein mittelaltes Exemplar zur Bestimmung mitnehmen: Längsschnitt, Farbe der Sporen; all das ist zum Lernen wichtig. Viele Pilzarten verändern sich im Laufe ihres kurzen Lebens stark. Eile mit Weile also – nicht zu rasch vom Bestimmen zum Essen übergehen! Und: Im Internet steht Kluges, aber auch eine Menge Unsinn.
Fazit: Pilze aller Arten zusammenzuraffen, kann nicht nur gefährlich sein. Es ist auch Raubbau am Wald, der in diesen Jahren ohnehin mit enormem Hitzestress und anderen Umwelteinflüssen zu kämpfen hat. Pilze sind wichtige Partner der Bäume im Austausch von Nährstoffen. Beide haben Respekt und Rücksicht verdient.