Pilotprojekt: Viele Zeitungskunden lehnen Umstieg auf E-Paper ab

Der Umstieg von der gedruckten Zeitung auf digitale Produkte hat längst begonnen. Ein Pilotprojekt im thüringischen Greiz endet indes ernüchternd. Viele Kunden kündigen ihre Abonnements.

Der Umstieg von Print ins Digitale ist für Verlage nicht leicht (Symbolbild)
Der Umstieg von Print ins Digitale ist für Verlage nicht leicht (Symbolbild)Imago/ Funke Foto Services

Die Nachricht, dass Funke-Medien Thüringen in Teilen des thüringischen Landkreises Greiz die Zustellung der „Ostthüringer Zeitung“ einstellt, sorgte im vergangenen März bundesweit für Aufsehen. Das Unternehmen beliefert seit Mai 2023 rund 300 Haushalte dort nicht mehr wie gewohnt mit der Tagesausgabe der Zeitung. Die Kostenexplosion bei Papier-, Produktions- und Zustellkosten mache diesen Schritt unumgänglich, hieß es. Wo besonders lange Strecken von Briefkasten zu Briefkasten zurückgelegt werden müssten, sei die Zustellung unwirtschaftlich geworden. Mit Angeboten an die Kunden versuchte Funke-Medien Thüringen, den Umstieg auf digitale Alternativen zu erleichtern.

Statt bisher 45,90 Euro sollten Leserinnen und Leser monatlich lediglich 29,99 Euro für den Zugriff auf die Artikel im Internet bezahlen. Auf Wunsch konnten sich Abonnenten auch in ihrer Region im Umgang mit dem digitalen Angebot schulen lassen. Ziel war, die notwendige Umstellung so einfach wie möglich zu gestalten.

Medienwissenschaftler Matthias Kurp: Erwerb digitaler Kompetenzen braucht Zeit

Knapp zwölf Monate später liegen erste Zahlen zum Pilotprojekt vor: Fast 140 Abonnements beziehungsweise 45 Prozent seien gekündigt worden, teilte Funke-Medien Thüringen auf Anfrage dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit. Weitere 100 Kunden machten von der Möglichkeit Gebrauch, die Zeitungen täglich erst gegen Mittag per Postvertrieb zu erhalten.

Der Medienwissenschaftler Matthias Kurp von der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln zeigt sich von diesen Zahlen nicht überrascht. „Gerade Heimatzeitungen werden zurzeit von älteren Kunden und Kundinnen gelesen, die in der Regel weniger versiert im Umgang mit digitalen Medien sind“, sagt er. Der Erwerb digitaler Kompetenzen brauche Zeit.

Bald Zeitungen nur noch digital?

Dass in nicht allzu ferner Zukunft viele Zeitungen nur noch digital erscheinen werden, sei aber „sicher ein realistisches Szenario“, auch wenn sich das Ergebnis des Pilotprojekts nicht einfach auf andere Zeitungen und Kommunikationsräume übertragen lasse. Die Zeitungslandschaft und die Struktur der Leser seien in Deutschland sehr heterogen.

Bundesweit greifen laut dem Bundesverband der Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) bereits 16,3 Millionen Personen ab 16 Jahren jeden Tag auf die Digitalangebote der Zeitungen zu. Das seien 23,6 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung. Das größte Interesse besteht laut einer vom Verband in Auftrag gegebenen Studie dabei am Regionalteil: „86 Prozent interessieren sich für Nachrichten aus dem eigenen Wohnort“, heißt es. Befragt wurden 1.000 Personen ab 14 Jahren.

„Kunden behutsam mit dem E-Paper bekannt machen“

Druck-, Papier- und Zustellungskosten bei regionalen Abonnementzeitungen machten nach Angaben des BDZV im Jahr 2022 durchschnittlich 54,6 Prozent der Kosten aus. Im Fall der Ostthüringer Zeitung machten Funke-Medien Thüringen zufolge allein die Vertriebskosten im Landkreis Greiz mehr als 40 Prozent aus.

Funke-Medien Thüringen hält den eingeschlagenen Weg ins Digitale trotz der verlorenen Abonnenten für unumkehrbar. Das Printprodukt solle zwar nicht abgeschafft werden. Dessen Herstellung müsse künftig durch digitale Vertriebs- und Vermarktungserlöse finanziert werden können. Dann fielen für die gedruckte Zeitung als Zusatzangebot lediglich Verteilkosten an, sagte ein Sprecher.

Noch gebe es nicht genügend Berührungspunkte der Leserschaft mit dem digitalen Pendant zur Druckausgabe. Wo bereits Vertrautheit mit dem Internetangebot bestehe, habe die Kundschaft durchaus dessen Vorteile erkannt. Der Sprecher räumte ein: „Wir müssen deutlich besser darin werden, die Kunden behutsam mit dem E-Paper bekannt zu machen.“