Pilgerpastor Karpa: “Pilgern als Kernangebot der Kirche”
Seit rund 100 Tagen ist Frank Karpa Pilgerpastor der Nordkirche. Von seinem Job ist er so begeistert, dass er Kirchengemeinden dazu motivieren will, Pilgern zu ihrem Kernangebot zu machen.
Der Tod des Partners, eine Scheidung oder ein drohender Burn-out im Job: Oft ist eine persönliche Krise der Auslöser dafür, dass Menschen ihre erste Pilgerreise machen. Auch ein Umbruch wie das Ende des Studiums könnte ein Grund sein, sagt Frank Karpa, der seit rund 100 Tagen Pilgerpastor der evangelischen Nordkirche ist. „Das Wandern bringt die Gedanken in Bewegung. Das schafft Klärung in jeder Hinsicht.“
Der Familienvater hat das Pilgern bei seinem vorherigen Job als Pastor für Männer- und Familienarbeit im Kirchenkreis Ostholstein als Leidenschaft für sich entdeckt. Unter anderem entwickelte er in dieser Zeit den Pilgerweg im Eutiner Schlosspark. Als klar war, dass der vorherige Pilgerpastor Bernd Lohse in den Ruhestand geht, bewarb er sich auf die Stelle. Und bekam seinen „Traumjob“, wie er sagt.
Rund 900 Pilgerpässe stellte das Pilgerzentrum 2023 aus
Seit 1. März hat Karpa seinen Arbeitsplatz im Pilgerzentrum an der St. Jacobi-Kirche in Hamburg. Dort informieren sich Interessierte über geeignete Routen und bekommen Tipps von erfahrenen Pilgern. Das Zentrum bietet auch Pilgerstammtische außerhalb der Kirche an, wo man sich bei Currywurst und Bier locker austauschen kann. Das Angebot soll niedrigschwellig sein und auch Menschen ansprechen, die mit Kirche nicht viel am Hut haben.
Rund 900 Pilgerpässe stellte das Pilgerzentrum 2023 aus. Vor der Corona-Pandemie waren es mehr als 1.000 Pässe. Es handelt sich dabei um eine Art Reisepass, der auf jeder Etappe des Weges abgestempelt wird und Zugang zu öffentlichen Pilgerherbergen ermöglicht. „Viele Menschen haben Lust auf Pilgern. Allein 400.000 Leute laufen jährlich den Jakobsweg nach Santiago de Compostela in Spanien“, erklärt Karpa.
“Man begegnet Gott, sich selbst, der Natur und neuen Menschen”
Die Erfahrungen einer Pilgerreise seien einzigartig und tiefgehend. Auch für Pilger, die sich nicht als religiös bezeichneten, sei so eine Reise spirituell. „Man begegnet Gott, sich selbst, der Natur und neuen Menschen. Das sind sehr intensive Begegnungen, die die Menschen nach der Reise oft zu einem Neuanfang führen“, sagt Karpa.
Anfänger müssen nicht gleich den 2.597 Kilometer langen Jakobsweg wandern, sondern können moderat beginnen. Allein acht Pilgerwege wie der Mönchsweg, die Via Baltica oder der Birgittenweg führen durch Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern.
Die Gemeinde der Pilger sei groß
Das Pilgerzentrum hat in seinem Veranstaltungskalender kleine geführte Angebote, die sich auf wenige Stunden beschränken. Dazu gehören die zweieinhalbstündige Tour „Schweigend um die Alster“ oder „Waldpilgern im Sommer am Freitagabend“ von Hoisbüttel nach Berne. Ein paar Kirchengemeinden in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern bieten ebenfalls kleine Touren an.
Dieses Angebot sollte nach Karpas Meinung ausgeweitet werden. Die Gemeinde der Pilger sei groß, die zweitgrößte Gruppe auf dem Jakobsweg seien Deutsche. Auch viele junge Menschen entdeckten das Pilgern für sich. Das habe er durch seine Tochter Nelly gelernt (19), die nach dem Abitur im vergangenen Jahr auf dem portugiesischen Jakobsweg pilgerte.
Kirchengemeinden sollten den Fokus mehr aufs Pilgern legen und auch mal einen Gottesdienst durch eine kleine Pilgertour ersetzen. „Damit kann man die spirituelle Tiefe eines Gottesdienstes auch erleben“, findet Karpa.
Am 14. Juli geht es auf große Tour
Für den Lübecker geht es in seiner neuen Funktion als Pilgerpastor zum ersten Mal am 14. Juli auf große Tour. Mit 16 Teilnehmenden wandert er die letzten 250 Kilometer des norwegischen Olavswegs bis nach Trondheim. „So eine Reise ist keine Fahrt auf der Aida. Pilger sind auch mal erschöpft und haben ihre persönlichen Themen. Da gibt es auch mal Streit und Gruppenkoller.“ Da helfe es oft, wenn er als Seelsorger mit dabei sei.
Eine besondere Etappe der Norwegen-Tour ist der Aufstieg zur Steinpyramide am Hardbakken-Pass in mehr als 1.000 Meter Höhe. Jeder Teilnehmende kann dort einen Stein ablegen, als Symbol für seine seelische Last. Im Idealfall wird also jeder Pilger leichter von seiner Reise nach Trondheim zurückkommen, als er aufgebrochen ist. Und zwar nicht nur, weil der Stein im Rucksack fehlt.