Philosoph Sloterdijk glaubt nicht an EM-“Sommermärchen”

Deutschland, ein Sommermärchen? Vor 18 Jahren begeisterte die Fußball-WM die Fans noch. Das wird bei der EM nicht so sein, meint Philosoph Sloterdijk – und sieht Parallelen zwischen dem modernen Fußball und der Antike.

Ein “Sommermärchen” wie zur Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland wird es aus Sicht des Philosoph Peter Sloterdijk bei der anstehenden Europameisterschaft nicht geben. “Märchen dieser Art kann man nicht a la carte bestellen”, sagte Sloterdijk im Interview der “Rheinischen Post” (Dienstag online).

Die WM 2006 habe eine “besondere Note” gehabt, auch noch im Hinblick auf die Deutsche Wiedervereinigung, so der Philosoph. “Es markierte einen der wenigen Momente in der deutschen Nachkriegswirklichkeit, indem sich Nationalgefühle von der festlichen Seite zeigten.” Die identitätsstiftende Wirkung der Nationalmannschaft von damals gebe es in dieser Form allerdings inzwischen nicht mehr “obgleich der Bundestrainer außerprotokollarisch sich auf einer Stufe mit dem Bundespräsidenten befindet”.

Beim Fußball geht es nach Worten von Sloterdijk inzwischen vornehmlich um Kult und Zeremonie. Diese seien vornehmlich aber nicht im Fernsehen sondern im Stadion zu erleben, etwa wenn Spieler schon beim Einlaufen namentlich für die Fans ausgerufen oder Vereinshymnen gesungen werden. “In solchen Momenten spürt man auch etwas von der Magie der altrömischen Massenkultur, die im modernen Fußball zurückgekehrt ist.” Damit stünden die Fußballer von heute “in der typologischen Nachfolge der Gladiatoren”, sagte der Philosoph. Größter Unterschied sei, “dass heutzutage die Verlierer nur in der Tabelle abrutschen. Damals wurde sie auf Bahren abtransportiert, es sei denn, das Publikum hob zur Begnadigung den Daumen.”