Zum Hildegard Knefs 100. Geburtstag nähern sich gleich zwei Dokumentationen dem Geheimnis der unvergessenen Schauspielerin, Sängerin und Autorin.
Vor mehr als 23 Jahren, 2002, ist Hildegard Knef gestorben. Dafür ist sie noch ziemlich gut in Erinnerung, zeigen die knapp einstündige Arte-Doku “Hildegard Knef – So oder so ist das Leben” und die Erstausstrahlung des Kino-Dokumentarfilms “Ich will alles” in der ARD, die zu ihrem 100. Geburtstag am 28. Dezember nun ins Fernsehen und in die Mediatheken kommen.
Die fortbestehende Bekanntheit hat vor allem mit ihrer Musik zu tun – auch wenn von einem ihrer nachhaltigsten Karriereschritte keinerlei Aufnahmen mehr zeugen. Über 600 mal war die Knef nach ersten Erfolgen und Misserfolgen am Broadway als Ninotschka im Musical “Silk Stockings” aufgetreten. Damals habe sie sich ihre Stimmbänder so “vermaledeit”, sagt sie selbst in einem Interview aus den 1960er-Jahren, dass ihre markante Stimme in Erinnerung blieb.
Präsent sind ihre Lieder, deren Texte sie meist selbst schrieb. Zum Auftakt von “So oder so ist das Leben” schildert Knefs letzter Manager und Nachlassverwalter Thomas Jost, wie die Künstlerin 1992 auf einem ihrer Tiefpunkte nach Deutschland zurückkehrte. Als die Neue-Deutsche-Welle-Band Extrabreit ihr Lied “Für mich soll’s rote Rosen regnen” covern wollte, sang Hildegard Knef mit – was nochmals für zehn recht erfolgreiche Jahre sorgte.
Von den Filmen, mit denen sie als Schauspielerin in der Nachkriegszeit bekannt wurde, blieb eher wenig, zeigen beide Dokus. So zog “Die Sünderin” anno 1951 zwar Massen ins Kino – nicht zuletzt dank scharfer Kritik der katholischen Kirche. Doch ob die zeitgenössische Skandalisierung eher den angedeuteten Themen Prostitution oder Sterbehilfe galt oder einer kurzen, aus heutiger Perspektive kaum erkennbaren Nacktszene, beschäftigt wohl niemanden mehr.
Im Filmmuseum in Bendestorf im südlichen Hamburger Umland spürt die Arte-Doku das Gemälde auf, für das die Knef im Schwarzweißfilm unbekleidet Modell stand oder eher lag. Die bunte Requisite spricht Bände. Auch von den erfolgreichen Büchern, die Hildegard Knef schrieb, blieb nicht viel, wie die Anekdote illustriert, dass eine junge Interviewerin später “Der geschenkte Gaul” für ein Pferdebuch gehalten haben soll. Dabei hatte die Autobiografie sogar, äußerst ungewöhnlich für ursprünglich auf Deutsch Verfasstes, US-amerikanische Bestsellerlisten angeführt.
Die Arte-Doku bündelt Ausschnitte und Erinnerungen geschickt zu Themenkomplexen, die das Phänomen Knef einkreisen. Für die Nachwirkung wichtig ist ihre Faszination auf schwule Männer, von der Sänger Tim Fischer, ihr einstiger Visagist René Koch und vor allem Jan Feddersen zeugen. Der “taz”-Journalist glänzt mit einer Menge Wortschöpfungen (“Ehrgeizismus”, “verurwald-ter Wimpernblick”).
Den aufschlussreichsten dieser Themenkomplexe bilden deutsche Interviews, die zu allen Zeiten gern mit dem relativen Weltstar geführt wurden. “Absolut entsetzlich” nennt Paul von Schell, ihr letzter Ehemann, den Umgang der Presse mit ihr. Das unterstreichen Ausschnitte aus Fernseh-Interviews unterschiedlicher Jahrzehnte. “Hat sie ihre Krankheit kommerzialisiert?”, hieß es etwa, als sie im Buch “Das Urteil” über ihre Krebserkrankung schrieb. “Haben Sie Angst vor dem Altern?” lautete eine Frage zu schönheitschirurgischen Operationen.
“Übergriffig, dass es nur so kracht”, nennt Feddersen die Fragen. Doch neben befremdlicher Selbstüberzeugtheit männlicher Interviewer zeigen die gut gewählten Ausschnitte erst recht, dass Hildegard Knef dümmlich-harte Fragen bestens zu beantworten verstand. Sie mochte die Härte, sie ist nie “wie eine Schneeflocke in sich zusammengeschmolzen”, so Feddersen. Was sich aus der Perspektive des Jahres 2025 klar zeigt: Hildegard Knef war sich ihrer Prominenz mit allen Vorteilen, zu denen etwa auch erfolgreiche Werbekampagnen zählten, und Nachteilen bewusst und beherrschte den Wandel in vielen medialen Formen.
Nach dem knapp einstündigen Arte-Film mag Luzia Schmids gut anderthalbstündiger Film “Hildegard Knef – Ich will alles” wie eine chronologischer angelegte, ausführlichere Version wirken. Doch kam die Zero-Film-Koproduktion mit dem RBB im Frühjahr in die Kinos und verbuchte dort mit gut 130.000 Zuschauern einen für deutsche Dokumentarfilme bemerkenswerten Erfolg. Einordnende Experten, wie sie zu Fernsehdokus gehören, tauchen hier nicht auf. Bloß von Schell und Knefs Tochter Christina Palastanga-Gardiner (aus einer früheren Ehe) begegnet man erneut. Je länger man ihr zuhört, desto mehr kann die ebenfalls höchst präzise Ausdrucksweise der Tochter an die Mutter erinnern. Auch sonst wiederholt sich manches, neben Knefs Liedern auch manch prägnante Aussage. Doch wie beide sehenswerten Dokus zeigen, gibt Knefs Lebenswerk das locker her.