Mijos Sarg ist weiß lackiert, mit roten Griffen. „Die Liebe bleibt. Für immer.“ hat seine Mama, Lara Link, auf die Oberseite geschrieben. Seine Schwestern haben die Seiten mit ihren Handabdrücken gestaltet, in Rot, in Gold. Das Kreuz trägt Mijos Namen. Neben roten Rosen in Herzform hat eine Neun als Heliumballon seinen Platz gefunden. Denn Mijo hat heute auch Geburtstag – er wäre neun geworden. Die Feuerwehrstation, die er bekommen hätte, ist hier aufgebaut.
Rot war Mijos Lieblingsfarbe. Eingehüllt in rote Oversized-Hoodies stehen Mijos Eltern, Lara und Johannes Link, eng umschlungen da. Auch für Mijos Schwestern, zwölf, zehn und zwei Jahre alt, hatte Kirsten Allgayer, Leiterin des Kinder- und Jugendhospizdienstes Sternentraum, auf Wunsch der Familie, wenige Stunden nach Mijos Tod, dasselbe Kleidungsstück besorgt. „Das hat uns als Familie sichtbar zusammengeschweißt“, sagt Lara Link rückblickend.
„Die Ewigkeit ist mein Zuhause“, spielt die Band. Und dann singt die Trauer- und Geburtstagsgesellschaft „Happy Birthday“ – in der Quatschvariante, die Mijo so sehr liebte. Dazu werden unzählige Wunderkerzen entzündet, die Mijos Schwestern eingangs an die Besucher verteilt hatten.
Und dann gibt es diesen Moment, der so nicht geplant war, und der Mijos Mutter inmitten ihres Schmerzes zum Lachen bringt: Just in dem Moment, in dem der Kindersarg heruntergelassen wird, legt die Seifenblasenmaschine plötzlich los. „Jetzt schauen alle nach oben“, denkt Lara Link. „Dorthin, wo Mijo wirklich ist. Bei Jesus.“
Mijo, „der Freudige“, hat seinem Namen alle Ehre gemacht und das Leben geliebt. „Sein Lachen ist allen, die ihn kannten, in Erinnerung geblieben. Vielen ist er direkt ins Herz gehüpft“, erzählt seine Mutter.
Dabei war das Leben dieses Jungen, der bei seiner Geburt als gesund galt, schon bald auch von Leid geprägt. Zunächst brachten ihn Unterzucker und eine starke Trinkschwäche, dann Lungenentzündungen ins Krankenhaus. Wie krank Mijo aufgrund eines Gendefekts wirklich war, stellte sich erst allmählich heraus. Ein massiver Reflux sorgte für so schwere Magen-Darm-Probleme, dass er schließlich nur noch über einen zentralen künstlichen Zugang ernährt werden konnte. Mit drei Jahren lernte er laufen, mit vier sprechen. „Die Kindergartenzeit war die freieste, da konnte er noch rutschen, Fahrzeuge fahren, sogar Fußball spielen“, berichtet die 37-Jährige.
Mijo besuchte die Bodelschwingh-Schule in Murrhardt (Rems-Murr-Kreis), doch das Laufen verlernte er wieder. Schließlich auch das Sitzen. Die epileptischen Anfälle verschlimmerten sich. Seine Eltern kauften einen Kleinbus, ließen ihn zum Liegetransporter umbauen, mit dem der Junge ab und zu noch seine Klasse besuchen konnte, um den Kontakt zu halten. In die Wilhelma ging es mit dem Liegekeil. „Wir haben alles gemacht, was Mijo irgendwie als Wunsch geäußert hat“, sagt die gelernte medizinisch-technische Assistentin. „Ein Mega-Glücksmoment war, als wir durch Vermittlung der Stiftung Sternentraum eine Stunde vor Öffnung im Playmobil-Funpark ganz allein auf dem Piratenschiff waren.“
Vor anderthalb Jahren gab Johannes Link seine Berufstätigkeit als Zweiradmechaniker auf, um abwechselnd mit seiner Frau Mijos 24-Stunden-Intensivpflege zu übernehmen. Seine Atmung musste überwacht werden und er brauchte alle halbe Stunde eine Infusion. Trotz intensiver Suche nach Pflegediensten hätten sie als Eltern mindestens zwei Drittel selbst übernehmen müssen, so Link. Der Pflegenotstand wurde für die allein gelassene Familie zur Zerreißprobe und Existenzbedrohung. „Ich hatte immer Angst davor, dass ich die bin, die den letzten Handgriff tut“, sagt Lara Link über die hoch verantwortungsvolle Aufgabe.
Dass ihr Sohn nicht während einem dieser schrecklichen Krampfanfälle stirbt, dieses Gebet von Lara Link ist erhört worden. Als es im Kinderhospiz Stuttgart friedlich zu Ende ging, hielt sie Mijo stundenlang im Arm, umgeben von allen Familienmitgliedern, liebevoll und hochkompetent umsorgt. Endlich durfte sie einfach Mama sein. (0531/09.03.2024)