Die Worte „Rede und Schweige nicht“ aus der Apostelgeschichte geben Jette Förster Kraft. „Ich habe ein großes Volk hinter mir“, wie es da am Ende heißt, ist sinnstiftend für die Arbeit der Pfarrerin in Spremberg. Ihre Kollegin Elisabeth Schulze ergänzt, dass es in der Geschichte auch heißt: „Fürchte Dich nicht.“ Denn Angst sei ein schlechter Ratgeber.
Am 24. November nehmen die beiden Pfarrerinnen stellvertretend für das Bündnis #unteilbar Spremberg und die AG Spurensuche den Preis für Zivilcourage gegen Rechtsradikalismus, Antisemitismus und Rassismus des Förderkreises „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ und der Jüdischen Gemeinde zu Berlin entgegen. Jette Förster hat die AG Spurensuche ins Leben gerufen. Die Gruppe recherchiert zu Einzelschicksalen von Menschen, die im Nationalsozialismus verfolgt wurden und aus Spremberg stammten oder zu jener Zeit in Spremberg lebten.
Engagement für Stadtgeschichte und Gedenkarbeit
Sie forschen auch zur Geschichte der Stadt im Nationalsozialismus. Auf ihre Initiative hin ist 2022 der erste Stolperstein in Spremberg verlegt worden. Gemeinsam mit dem Bündnis #unteilbar Spremberg organisiert die Gruppe unter anderem Gedenkveranstaltungen. Dieses Bündnis setzt sich seit 2021 für Demokratie, Vielfalt und Toleranz ein. Die beiden Pfarrerinnen gehören zu seinen Gründungsmitgliedern, #unteilbar Spremberg trifft sich meist in der Kirche.
Geehrt wird außerdem Sprembergs Bürgermeisterin Christine Herntier (parteilos). Sie nimmt den Preis stellvertretend für die engagierte Spremberger Zivilgesellschaft entgegen. Das „unermüdliche Engagement der Preisträgerinnen für ein demokratisches, friedliches und solidarisches Zusammenleben“ in Spremberg sowie ihr entschlossener Einsatz gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus verdiene eine Würdigung durch den Zivilcourage-Preis, hieß es vorab zur Begründung.
Brandbrief und Warnung
Verschiedene Menschen kamen in diesem Jahr zu Bürgermeisterin Christine Herntier, um ihr zu sagen, dass sie Spremberg lieben, doch wenn sich nichts ändert, sie die Stadt verlassen müssten. Herntier, seit 2014 im Amt, schlägt Alarm mit einem Brandbrief und warnt vor dem wachsenden Einfluss von Neonazis in der Stadt. Sie wird dafür auch angefeindet. Immer wieder verweisen Verfassungsschützer auf eine rechtsextremistische Szene in Südbrandenburg. Der Dritte Weg rekrutiert in Spremberg vor der Schule.
Im Juni 2023 wurde ein Molotowcocktail an die Kirche geworfen, an der zuvor eine Regenbogenfahne angebracht wurde und eine Veranstaltung zum Christopher Street Day stattgefunden hatte. Die beiden Pfarrerinnen, die vor fünf Jahren mit Lukas Pellio als Pfarrteam nach Spremberg kamen, öffnen freitags immer die Kirchentüren für junge Menschen. Der „Freitagstreff“ ist ein Format, bei dem es darum geht, da zu sein. Es gibt Kaffee, manchmal auch ein Thema. In der Regel wird nichts vorbereitet – angeboten wird Gemeinschaft, ein Schutzraum, auch wenn die Jugendlichen diese Formulierung nicht oft benutzen.
Zivilcourage und Nächstenliebe
Die jungen Leute kommen aus der Christenlehre oder den Konfi-Angeboten. Die Einbindung von ihnen in die Gemeindearbeit ist zuletzt gewachsen – darüber hinaus setzen sie eigene Akzente. Anlässlich des 9. Novembers führten sie im Rahmen einer Gedenkveranstaltung auf dem Marktplatz ein Theaterstück auf. Sie gehen mit und ohne die beiden Pfarrerinnen auf Demos, machen selbstverständlich beim Krippenspiel mit.
Eine Mutter aus der Kirchengemeinde besorgte für die Jugendlichen kürzlich Tickets für das Stück „Jugend ohne Gott“ des österreich-ungarischen Schriftstellers Ödön von Horváth (1901–1938) in Cottbus. Darin geht es um Zivilcourage und Gruppenzwang. Nach der Vorführung berichteten sie, dass sie sich mit den Themen des Stücks identifizieren können.
Förderung von Zivilgesellschaftlichem Engagement
Elisabeth Schulze und Jette Förster konnten den jungen Menschen die christliche Botschaft so vermitteln, dass sie sie berührt. Auch dank ihres Einsatzes können die jungen Leute besser ihre Probleme artikulieren. Die Pfarrerinnen haben ihnen gezeigt: Auch in Spremberg zählt Nächstenliebe.
Elisabeth Schulze erzählt von einer Ehrenamtlichen aus der Kirchengemeinde, die sich bei #unteilbar Spremberg engagiert. Ihre zivilgesellschaftliche Arbeit sei für sie Ausdruck ihres Glaubens. Das ist auch ein Verdienst der beiden Pfarrerinnen: Sie ermöglichen, dass Zivilcourage entstehen und wachsen kann.
