Pfarrer mit System

Schon in seiner Kindheit hatte er den Wunsch, Theologe zu werden. Damals war er noch katholisch. Heute ist Andreas Brenneke evangelischer Pfarrer, Therapeut. Und Hobby-Vulkanologe

Ruhrgebiet, Bochum, der Vater Bergmann. Manchmal ein hartes Leben. Der Vater sagte oft zu seinem Sohn: „Wenn du nicht jeden Tag in aller Frühe aufstehen willst, dann lern was Gescheites.“ Das hat sich Andreas Brenneke zu Herzen genommen. Er wurde Pfarrer. „Aber es war nicht nur das frühe Aufstehen“, meint er, „Pfarrer ist einfach ein toller Beruf“.
Aber der Bochumer Andreas Brenneke ist nicht nur Pfarrer. Im Predigerseminar legte ihm der Leiter seines Seelsorgekurses ans Herz: „Werd, was du willst, aber werd auch Therapeut.“ So kam es, dass Brenneke sich informierte und schließlich eine Ausbildung zum Systemischen Therapeuten und Supervisor absolvierte.
Heute arbeitet er mit einer halben Stelle als Klinikseelsorger in Castrop-Rauxel. Darüber hinaus ist er freiberuflich als Therapeut in eigener Praxis tätig.
Dass Andreas Brenneke evangelischer Pfarrer ist, ist nicht selbstverständlich. Kirche hat ihn zwar schon immer interessiert, doch anfangs eher die katholische. „Ich war katholisch. Messdiener zu sein hat mir Spaß gemacht.“ Doch als Jugendlicher begann er die katholische Kirche immer kritischer zu sehen. Als das katholische Gemeindehaus geschlossen wurde, fand er in der evangelischen Nachbargemeinde Heimat. „Mit 18 bin ich konvertiert.“
Dann also Theologie. Evangelisch. Mit dem Ziel: Pfarramt. „Seit ich denken kann, wollte ich Theologe sein.“ Ihn fasziniert die Wissenschaft und gleichzeitig schätzt Brenneke den wertvollen Beitrag, den die Kirche für die Gesellschaft leistet. „Als Pfarrer habe ich schon so viele interessante Menschen kennengelernt. Ich mag es, anderen zu begegnen.“
Sich intensiv mit Menschen befassen – das war es dann wohl auch, was ihn für die Systemische Ausbildung begeistert hat. „Als Jugendlicher habe ich Sigmund Freud gelesen. Das fand ich klasse.“ Dennoch wollte er keine psychoanalytische Ausbildung. „Am systemischen Ansatz gefällt mir das positive Menschenbild, das lässt sich gut mit dem christlichen Menschenbild vereinen.“
Ebenso liegt Andreas Brenneke der grundlegende Optimismus. Der Satz „Es ist nie zu spät, eine glückliche Kindheit zu haben“ drückt für ihn diesen Optimismus aus. „Systemiker gehen davon aus, dass sich jeder seine eigene Wirklichkeit konstruiert“, so Brenneke. Kein Mensch erlebt etwas genauso wie ein anderer. „Konstruktivismus nennt man das auch.“ Auch wenn manche finden, das passe nicht zum christlichen Glauben – „ich sehe das anders. Ich finde, das passt sehr gut zusammen.“ Für Andreas Brenneke ist die Kombination aus Pfarrer und Therapeut/Berater eine prima Ergänzung.
Eine Zeit lang hat er sich vom Pfarrdienst beurlauben lassen. Doch noch einigen Jahren fehlte ihm etwas. „Pfarrer und Seelsorger zu sein, das ist eine Art Grundbedürfnis für mich“, berichtet er. Und so ging er mit einer halben Stelle wieder in den Pfarrdienst. „Manche konnten nicht verstehen, dass ich keine ganze Stelle wollte. Oder dass ich überhaupt so zweigleisig unterwegs bin“, sagt Brenneke. „Aber ich habe gern viele Möglichkeiten. Und ich gehe gern Umwege.“
Apropos Umwege: Die muss er auch manchmal in seiner Freizeit gehen, wenn er seinem Lieblingshobby frönt. Andreas Brenneke ist Vulkanologe. Seit seiner Kindheit ist er fasziniert von den feuerspeienden Bergen. Einmal im Jahr reist er nach Sizilien und steigt auf die Ätna. „Ja, es heißt die Ätna. Im Italienischen ist der Vulkan weiblich“, erklärt er. Er quartiert sich dort ein und macht Bergtouren. Vier Mal hat er miterlebt, wie dieser Vulkan ausgebrochen ist. „Das ist toll. Ach was – unglaublich.“ Da ist schon mal ein Umweg angebracht.
Wenn er im Alltag unterwegs ist, sind nicht Umwege, eher Abkürzungen ein Thema. Der Pfarrer fährt aus Überzeugung fast alles mit dem Fahrrad. „Durch den Stadtverkehr im Ruhrgebiet kommt man mit dem Rad oft schneller voran als mit dem Auto.“ Ab und zu weicht er auf öffentliche Verkehrsmittel aus – bei Glatteis zum Beispiel. Schließlich will er ja pünktlich zum Dienst im Krankenhaus kommen. Die Arbeit dort liegt ihm, da profitiert er von seiner systemischen Ausbildung. Brenneke ist froh, diese Stelle zu haben und betont: „Ich bin Pfarrer – zwar mit halbem Dienstumfang, aber mit ganzem Herzen.“