Paulus und Silas singen

Mitternachtssong öffnet Türen. Gedanken zum Predigttext am Sonntag Kantate („Singet“) Von Gertrud Heublein, Oberin im Ruhestand.

Predigttext am Sonntag Kantate: Apostelgeschichte 16,23–34Nachdem man sie hart geschlagen hatte, warf man sie ins Gefängnis und befahl dem Kerkermeister, sie gut zu bewachen. Als er diesen Befehl empfangen hatte, warf er sie in das innerste Gefängnis und legte ihre Füße in den Block. Um Mitternacht aber beteten Paulus und Silas und lobten Gott. Und es hörten sie die Gefangenen. Plötzlich aber geschah ein großes Erdbeben, sodass die Grundmauern des Gefängnisses wankten. Und sogleich öffneten sich alle Türen und von allen fielen die Fesseln ab. Als aber der Kerkermeister aus dem Schlaf auffuhr und sah die Türen des Gefängnisses offen stehen, zog er das Schwert und wollte sich selbst töten; denn er meinte, die Gefangenen wären entflohen. Paulus aber rief laut: Tu dir nichts an; denn wir sind alle hier! Der aber forderte ein Licht und stürzte hinein und fiel zitternd Paulus und Silas zu Füßen. Und er führte sie heraus und sprach: Ihr Herren, was muss ich tun, dass ich gerettet werde? Sie sprachen: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig! (Auswahl)

Von Gertrud Heublein

Der Bibeltext zum Sonntag Kantate „Singet dem Herrn ein neues Lied“, ist eigentlich nicht zum Singen geeignet. Oder vielleicht doch, auch aus dem Gefängnis? Doch welches Lied ist das neue Lied? Paulus und sein Mitarbeiter Silas hatten allen Grund zu singen, zu loben und zu jubeln, denn vieles geschah in nur einer Nacht und noch dazu um Mitternacht. Läge da nicht ein Klagelied näher als ein Loblied? Was würde ich wohl singen, befände ich mich in solch einer Situation, im Innersten eines Gefängnisses, besonders gut bewacht? Wohl dem, der Texte und Lieder einmal auswendig gelernt hat, und sie zur richtigen Zeit in Kopf und Herz bereit hat. Die „Warum“-Frage steht im Raum. Warum gab es einen Grund zum Singen? Oder anders gefragt: Warum kann nicht jeden Tag ein solch „heilsames Erdbeben“ wie damals geschehen? Warum geschieht nicht auch heute noch solch ein Beben, das die Fesseln der Gefangenen sprengt, das verriegelte Türen aufstößt und Fundamente erschüttern lässt? Vielleicht war es auch nur eine Demonstration göttlicher Gewalt, als Instrument der Bekehrung? Das sicherlich nicht! Vielleicht war es nur die Demonstration göttlichen Beistands in bedrohlichen Situationen, als Belohnung für den apostolischen Einsatz? Das sicherlich nicht! Oder ging es um Visionen, die der Glaube dringend braucht? Visionen, die auch mir den Mut zum Glauben schenken, dass sich in meinem Leben ebenso Neues und Unvorstellbares durch Gottes Eingreifen ereignen kann. Das Leben von Paulus und Silas war alles andere als leicht und schön. Während ihrer Missionsarbeit wurden sie misshandelt, berichtet uns Paulus: „Ich bin dreimal mit Stöcken geschlagen, einmal gesteinigt worden; dreimal habe ich Schiffbruch erlitten, einen Tag und eine Nacht trieb ich auf dem tiefen Meer. Ich bin oft gereist, ich bin in Gefahr gewesen“ (2. Korinther 11,25ff).

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