Pastorin trotz aller Widerstände

Sie war schon Pastorin, als es per Gesetz noch gar keine Pastorinnen gab. Warum Frauen nicht dieselben Wege offenstehen können wie Männern, hat die Theologin nie eingesehen.

"Es war eine wunderbare Zeit", sagt Ulrike Denecke über ihre Arbeit als Gemeindepastorin
"Es war eine wunderbare Zeit", sagt Ulrike Denecke über ihre Arbeit als GemeindepastorinCarolin George

Hannover. Als Ulrike Denecke heiratete, hatte sie ihr Theologiestudium abgeschlossen. Auch mit dem Vikariat war sie fertig. Voller Vorfreude wandte sie sich daher an das Personalamt der Landeskirche Hannovers, um Pastorin zu werden. Aber dort hieß es nur, sie solle ihren Berufsweg lieber beenden. Das sei besser für die Ehe. 1967 war das. Wenn Ulrike Denecke heute erzählt, dann weiß sie noch genau, was ihr durch Kopf und Herz ging. „Ich ging raus und weinte. Nur zu Hause und Hausfrau zu sein, bloß weil ich eine Frau bin: Das wollte ich nicht.“

Ulrike Denecke ist heute 82 Jahre alt und lebt mit ihrem Mann in der Nähe von Hannover. Ihr Mann ist pensionierter Pastor – genau wie sie. Denn Pastorin war sie trotz der Absage des Personalchefs vor mehr als 50 Jahren dennoch geworden. Dass ihr Weg für die damalige Zeit etwas Besonderes war, hat die Mutter von zwei Kindern allerdings nie so richtig wahrhaben wollen. Frauen sollten sich dieselben Vorstellungen vom Leben machen können wie ein Mann. „Ich habe Theologie studiert, das fühlte sich für mich ganz selbstverständlich an“, erzählt sie. „Dass ich danach nicht als Pastorin würde arbeiten können, darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht.“ Doch da war die Tochter einer aus Pommern mit ihren drei Kindern geflüchteten Frau mit Abitur weiter als die Gesellschaft.

Frauen-Ordination erst seit 1964

Und fortschrittlicher als das Pfarrdienstgesetz allemal. Erst seit 1964 ordiniert die Landeskirche Hannovers Frauen ins Pfarramt. Bis dahin wurden sie eingesegnet. „Frauen sollten nicht gleichgestellt werden“, sagt Heike Köhler, die als Referentin im Landeskirchenamt im Jahr 2014 die Geschichte der Frauen in der Landeskirche aufarbeitete. „Sie blieben ein Leben lang Vikarin.“ Das änderte sich erst mit dem Pfarrdienstgesetz von 1978.

„Das machte mich wütend“

Doch dann fand sich ein Mann, der Ulrike Denecke als Prädikantin in der Gemeindearbeit anstellte. Auch danach gab es Menschen in der Landeskirche, die ihre Wahl von Beruf und Familie unterstützten. Als Mutter eines Kleinkinds absolvierte Ulrike Denecke das Zweite Examen, ohne Kita und Krippe. Ordiniert wurde sie allerdings nicht, denn nach dem Examen pausierte sie für die Familie einige Jahre im Beruf. So lange, bis der Wunsch, in einer Gemeinde zu arbeiten, so groß war, dass sie ihn nicht länger unterdrücken wollte. „Ich fühlte mich als Rabenmutter“, erzählt sie von der Zeit, als sie eine halbe Pfarrstelle annahm und ihre Kinder vier und sechs Jahre alt waren. „Und doch habe ich es gemacht. Es war eine wunderbare Zeit.“

Später setzte sie sich mit dem Feminismus auseinander. „Mir wurde klar: Mein Mann durfte in seinem Beruf machen, was er wollte. Ich nicht. Das machte mich wütend.“ Sie wurde Feministin und begann, Geschichten aus der Bibel aus der Sicht der Frauen zu interpretieren und darüber mit Frauen zu sprechen. Als Pastorin machte sie vieles neu und anders als Pastoren. Sie führte Gemeindefeste ein und Gottesdienste, die ehrenamtlich tätige Frauen gestalten durften, gründete die erste Mutter-Kind-Gruppe der Landeskirche. Und 1988 bekam sie das Angebot, das Frauenwerk in Hannover zu leiten. Und sie nahm es an.

Stolz auf die Kirche

„Meine Arbeit hat mich selbstbewusst gemacht“, sagt Ulrike Denecke heute. Wenn sie hört, dass sich verheiratete Paare ganz selbstverständlich Pfarrstellen teilen, sagt sie: „Ich bin stolz auf unsere Kirche, die sie sich so verändert hat.“