Pastoren und Poeten im Dichterwetttstreit

Wer begeistert sein Publikum beim Poetry Slam? Pastoren treten gegen Profi-Poeten an, die den Wettkampf als „theologische Fortbildung“ sehen.

Beim Poetry Slam in Lübeck entscheidet das Publikum
Beim Poetry Slam in Lübeck entscheidet das PublikumChristoffer Greiss

Lübeck. Sechs Minuten – so lang darf er sein, der Vortrag, der das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinreißt, der es dazu bringt, die höchste Punktzahl zu vergeben. Da geht es neben klugen Gedanken auch um die wortgewitzte Verpackung, da muss jede Pointe sitzen und vor allem: Die Performance muss stimmen. „Ein richtig guter Text reicht nicht aus. Als Pastor muss man sich überwinden und den Leuten die Worte mal so richtig um die Ohren hauen“, sagt Nils Petersen, Pastor aus Hamburg. Er nimmt zum dritten Mal am Preacher Slam teil.
Nach dem Vorbild des Poetry Slams, der modernen Form des Dichterwettstreits, treten neben ihm die Lübecker Gemeindepastorin Inga Meißner, der Krankenhausseelsorger Frank Gottschalk und der Religionslehrer Ekkehard Götz als „Popen“ gegen vier Slam-erfahrene „Poeten“ an. Vorgegebenes Thema: „Gott ist die Liebe. Oder?“

Rasanz und Rhythmus für den Slam

„Wir probieren hier an St. Petri gerne andere Formate aus, über biblische Inhalte zu sprechen“, sagt Hausherr Bernd Schwarze, der gemeinsam mit dem Slam-Organisator Tilo Strauß vor drei Jahren die Veranstaltung in der Kulturkirche ins Leben rief. Und so ein Slam ist dabei ein besonders herausforderndes Format: Hier geht es um die Kunst der schnellen Worte, um Schliff und Rasanz, Reim und Rhythmus, um Hintersinn, Humor und Doppeldeutigkeit. „Für Theologen, die das noch nie gemacht haben, ist es sicher hart, und einige zittern auch vorher“, sagt Schwarze, „doch unsere Kirchenprofis brauchen sich nicht zu verstecken.“
Die Theologen treten gegen die erste Garde der deutschen Slammer-Szene an. Dazu gehört Mona Harry, die derzeit bekannteste norddeutsche Slam-Poetin, deren „Liebesgedicht an den Norden“ sich als Video zu einem Internet-Hit entwickelt hat. Dazu gehören auch Bente Varlemann mit zehn Jahren Poetry-Slam-Erfahrung, Nektarios Vlachopoulos, der seine Wortkunst inzwischen zum Beruf gemacht hat, und Julian Heun, der schon als 18-Jähriger deutschsprachiger Meister war.

Vorteil für die Profi-Poeten

Pastor Frank Gottschalk ist Seelsorger an den Lübecker Sana-Kliniken und kennt den Preacher Slam bisher nur aus der Zuschauerperspektive: „Ich war beim ersten Mal im Publikum dabei und fand den Abend großartig“, sagt er. Als er gefragt wurde, ob er selbst auf die Bühne wolle, hat er spontan zugesagt. „Hinterher hatte ich ein bisschen Angst vor der eigenen Courage“, gibt er zu, und: „Lampenfieber ist dabei, keine Frage.“ Aber dass er früher mal Theater gespielt hat, könnte helfen. „Die Profis aus der Slammer-Szene gehen vielleicht mit größerer Frechheit und mehr Selbstverständlichkeit auf so eine Bühne“, sagt er, „und für uns ist es ungewohnt, da quasi hemdsärmelig zu stehen.“
Aber genau das sei ja auch ein wunderbares Stück theologische Fortbildung, findet Veranstalter Bernd Schwarze: „Diese Art mit Sprache umzugehen, kircheninterne Redeweisen wegzulassen und es anders zu sagen – das ist doch für unsere Arbeit als Pastoren ein gutes Training.“
Pastorin Inga Meißner hat genau dieses Spiel mit der Sprache gereizt. Sie gibt einen kleinen Hinweis auf ihre Textidee: Wie deutet jemand mit Lese-Rechtschreibschwäche das Motto – „Gott is(s)t die Liebe“? Gegen die Aufregung bekommt sie Unterstützung von einem kleinen Fan-Club aus der Paul-Gerhardt-Gemeinde, deren Pastorin sie seit einem dreiviertel Jahr ist.

Maximum sechs Minuten

Ob Lyrik, Rap oder Kurzgeschichte – der Form des Textes sind keine Grenzen gesetzt. Auch eine klassische Predigt wäre erlaubt, wenn sie nicht länger als sechs Minuten ist.
Pastor Nils Petersen lacht: „Nein, eine klassische Predigt halte ich natürlich nicht!“ Er tritt an mit „Der liebe Gott“ – einer Art Gedicht. Petersen: „Es reimt sich an manchen Stellen, dann hip-hopt es wieder – ein bisschen wie ein Luther-Vers.“ Und falls er in die Endrunde kommt, gibt es als Zugabe „Der liebe Gott 2“.
Info
Der Lübecker Preacher Slam startet am Donnerstag, 26. Mai, um 20 Uhr in St. Petri. Der Eintritt kostet 10 Euro, ermäßigt 8,50 Euro. Karten gibt es bei Hugendubel und im St.-Petri-Turmshop.