Pastor zeigt Arzt nach Corona-Streit an

Keine Masken, kein Abstand – in seiner Praxis östlich von Schwerin verstößt ein Arzt gegen die Hygiene-Regeln. Der Gemeindepastor zeigt ihn an und wird jetzt von Corona-Leugnern bedroht.

Der Pinnower Pastor Tom Ogilvie in seiner Kirche
Der Pinnower Pastor Tom Ogilvie in seiner KircheMarion Wulf-Nixdorf

Pinnow. Es war eine Begegnung im Einkaufszentrum von Pinnow bei Schwerin, die das Fass bei ihm zum Überlaufen brachte, erzählt Pastor Tom Ogilvie: Der Hausarzt Dr. M. A. aus dem benachbarten Sukow lief morgens um 8 Uhr ohne Maske durch den Supermarkt. Davon hatte der Pastor schon gehört, nun sah er es selbst und sprach den Arzt darauf an. Der entgegnete, dass er von der Maskenpflicht befreit sei. Auf die Bitte, das Schreiben mit der Befreiung sehen zu dürfen, meinte dieser, dazu sei der Pastor nicht berechtigt.

Im Gespräch mit Mitarbeitern des Supermarktes erfuhr Ogilvie, der seit zwölf Jahren als Gemeindepastor in Pinnow tätig ist, dass dies häufig Thema sei: Der Arzt käme ohne Maske, um sich einen Kaffee zu holen. In Ordnung fände das keiner.

Immer wieder Thema im Dorf

Das Verhalten des Arztes sei immer wieder Gespräch in den Dörfern gewesen, so Ogilvie. In seiner Praxis werde nicht auf Abstand geachtet, es sei kein Hinweis auf Schutzregeln vorhanden, und es müssten keine Masken getragen werden. „Immer wieder hörte ich von Gemein­degliedern, welche Erfahrungen sie in Sukow machten. Ich sorgte mich schon lange“, sagt der Pastor.

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Der Arzt hatte schon bei den ersten Demonstrationen der Corona-Skeptiker im Mai laut Medienberichten gesagt: „Menschen, die den Schutz lange tragen müssen, bekommen Beklemmungen, der Sauerstoffanteil in der eingeatmeten Luft ist unter der Maske deutlich geringer.“ Damit hat er sicher in manchen Fällen recht – aber was ist die Alternative?

Ogilvie hatte sich daraufhin von dem Arzt, den er fachlich sehr schätzt, verabschiedet und sich einen neuen Hausarzt gesucht. „Das können aber nicht alle Leute auf dem Dorf“, weiß der Pastor. Erstens sei es schwer, einen Arzt mit freien Kapazitäten zu finden, und zweitens seien gerade die hochbetagten Menschen nicht mobil und froh, wenn sie für einen Praxisbesuch nicht auf die Hilfe anderer angewiesen seien.

„Ein Risiko für die Patienten“

Die Begegnung im Supermarkt nahm der Pastor zum Anlass, Anzeige gegen den Landarzt zu erstatten. Tom Ogilvie informierte seinen Kirchengemeinderat und den Propst, ebenso den Bürgermeister des Ortes von seinem Vorhaben. Er sprach mit seiner Frau, die ebenfalls in der Gemeinde arbeitet. „Durch seine Vertrauensstellung im Dorf“ stelle der Arzt „als bekennender Corona-Leugner ein hohes Risiko für die Gesundheit seiner Patienten dar“, schrieb Ogilvie an die Kirchenältesten. Und: Nach dieser Begegnung im Supermarkt „musste ich entscheiden, ob ich die Sache einfach laufen lasse oder ob ich mich positioniere. Und natürlich bin ich in dieser Sache nicht nur Privatperson.“

Telefon abgestellt

Er hatte das Gefühl, dass man im zuständigen Ordnungsamt in der benachbarten Kleinstadt Crivitz und im Landratsamt Ludwigslust schon darauf gewartet habe, dass jemand mal den Mund aufmacht, erzählt der Pastor. Warum das Ordnungsamt nicht längst eingeschritten sei, bleibt offen.

Ogilvie ging an die Öffentlichkeit und informierte die Tageszeitung, um eine Debatte anzustoßen. Mit heftiger Kritik hatte der Pastor gerechnet – nicht aber mit dem, was dann losbrach: „Wenn man sich politisch klar positioniert, und die Regelungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie sind längst ein Politikum“, so Ogilvie, „muss man mit Gegenwind rechnen. Das liest man, hört man. Aber dass es so schlimm ist, dass meine Frau sich bedroht fühlt, Angst um die Kinder, um sich, um uns als Familie hat, das ist schlimm.“ Sobald ein Anrufer seine Nummer unterdrücke, nehme er nicht mehr ab. In der Nacht habe er das Telefon ganz abgestellt. Das sei aber keine Dauerlösung, denn er müsse ja erreichbar sein.

Als Nazi beschimpft

Die Gegner, die Ogilvie als Nazi, Denunziant oder Stasi-Mitarbeiter bezeichnen, sind laut und sehr aktiv. In den sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook, so wurde ihm berichtet, sei ein heftiger Shitstorm gegen ihn losgebrochen, „aber das sehe ich mir nicht an, da bin ich nicht aktiv“. Er bekommt aber auch viel Zuspruch. „Da hat mal jemand Courage“, schrieb etwa eine Journalistin.

Andere teilen ihm ihre eigenen Erfahrungen in der Arztpraxis von M.A. mit. Ein auf Epidemiologie spezialisierter Tierarzt schreibt, dass er dort aufgefordert worden sei, die Maske in Wartezimmer und Behandlungsraum abzunehmen, während um ihn herum gut die Hälfte der Patienten betagt waren.

„Ich hoffe, dass die Debatte uns weiterbringt, dass sie nicht nur spaltet“, so Ogilvie, „sondern den Blick öffnet auf die, die am meisten gefährdet sind: Kranke, Schwache, Alte – also Menschen, die regelmäßig zum Arzt gehen.“