Parolin: Vatikan braucht direkten Dialog mit Chinas Behörden

Wenn es um die Beziehungen zwischen Rom und China geht, sind Samthandschuhe gefragt. Lange war der Umgang der Kirche mit Peking kolonial geprägt; bis zum Konzil von Shanghai 1924. Daran erinnert ein hochkarätiger Kongress.

Persönlichkeiten aus Kirche und Wissenschaft haben bei einem internationalen Kongress die Bedeutung der Beziehungen zwischen dem Vatikan und China hervorgehoben. Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin betonte am Dienstag in Rom, es brauche einen direkten Dialog zwischen dem Heiligen Stuhl und den chinesischen Behörden. Das Konzil von Shanghai, das 1924 Schritte für eine stärker in China verankerte Kirche in Abkehr von einer kolonialen Prägung brachte, sei ein “grandioses Werk” gewesen, sagte Parolin bei dem Kongress “100 Jahre Konzil von Shanghai: Zwischen Geschichte und Gegenwart” in der Päpstlichen Universität Urbaniana.

Anders als lange Zeit üblich habe sich der Vorsitzende des Konzils, Erzbischof Celso Costantini, dagegen gewandt, dass ausländische Missionare in China Einfluss geltend machen wollten. Stattdessen sollten sie sich als Gäste betrachten, Bischofsstühle sollten mit Geistlichen aus China besetzt werden, so Costantini, der der erste Apostolische Delegierte in China war. An die Bischöfe habe er appelliert, den Stil der Synodalität zu nutzen, also Entscheidungen gemeinsam zu treffen, erinnerte Parolin vor rund 300 internationalen Gästen vor allem aus China und dem Vatikan.

Heute sei bei aller Inkulturation der Kirche in China – also der Einbettung des Christentums in die örtliche Kultur – eine enge Bindung an den Papst und das Petrusamt von großer Bedeutung; der Gehorsam zum Papst bleibe zentrales Anliegen, so Parolin, der einen bedeutenden Anteil am vorläufigen Abkommen zwischen Peking und dem Vatikan über Bischofsernennungen hatte. Über die Aussichten, die Vereinbarung zu erneuern, äußerte er sich nicht. Das im Herbst 2018 für zwei Jahre geschlossene geheime Abkommen wurde 2020 und 2022 verlängert.

Ausdrücklich dankte Parolin dem Shanghaier Bischof Joseph Shen Bin: Seine Anwesenheit verleihe der Konferenz eine besondere Bedeutung. Der Vorsitzende der – von Rom bislang nicht anerkannten – offiziellen Chinesischen Bischofskonferenz wurde im April 2023 ohne Billigung des Papstes von einem kleinen Bistum in die wichtige Diözese Shanghai versetzt. Drei Monate später ernannte ihn auch Papst Franziskus zum Bischof von Shanghai

Auch Bischof Shen Bin verwies auf das Engagement von Erzbischof Costantini um eine Inkulturation, um die Kirche in der chinesischen Gesellschaft sichtbar zu machen, was angesichts einer herrschenden kolonialen Gesinnung lange Zeit nicht möglich gewesen sei. Die Kirche in China sei daher nicht Architekt ihrer selbst gewesen. Musik, Sprache und Traditionen seien wichtige Elemente der Sinisierung, betonte Bin.

Die Präsidentin des Instituts für Weltreligionen der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften, Zheng Xiaoyun, warb für eine lebendige katholische Kirche in China in ihrer eigenen Tradition. Historisch betrachtet habe dazu das Konzil von Shanghai wie auch das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) mit seinem Willen zur Öffnung beigetragen. Heute müsse man China seinen eigenen Bürgern überlassen, forderte sie. Staatspräsident Xi Jinping sei ein leuchtendes Beispiel für Dialog und das Streben nach Frieden und Harmonie, betonte Zheng Xiaoyun, Präsidentin eines der maßgeblichen staatlichen Think Tanks für Religionsfragen in China.

Zuvor hatte Papst Franziskus den Beitrag von Chinas Katholiken zum gesellschaftlichen Zusammenleben und für den Frieden “in einer Zeit, in der wir unmenschliche Kräfte am Werk sehen, die scheinbar das Ende der Welt beschleunigen wollen” hervorgehoben. “Chinas Katholiken leben in Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom in der Gegenwart”, betonte der Papst in einer Videobotschaft.

Das Konzil von Shanghai sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg der katholischen Kirche in China gewesen, sagte Franziskus. Viele der damaligen Teilnehmer seien zuvor noch nicht bereit gewesen, “die Leitung ihrer Diözesen Priestern und Bischöfen anzuvertrauen, die in China geboren sind”.

Schließlich hätten sie Bestimmungen unterzeichnet, die neue Wege eröffneten, damit die katholische Kirche in China zunehmend auch ein chinesisches Gesicht bekommen konnte. “Sie erkannten, dass dies der richtige Schritt war”, denn der Glaube könne die Menschen nur dann erreichen, wenn er ihre “Muttersprache” spreche, so Franziskus.