„Papua sind längst Herren ihrer Geschichte“

Die pfälzische Kirchenpräsidentin Dorothee Wüst spricht sich für einen differenzierten Umgang mit dem Thema christliche Mission aus. Viele Menschen in der Partnerkirche in Papua im indonesischen Westteil der Pazifikinsel Neuguinea erlebten die christliche Botschaft als befreiend und als Bereicherung für ihr Leben, sagte Wüst in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Beim Blick auf die Missionsgeschichte müsse auch die Perspektive der Christen vor Ort beachtet werden.

epd: Vor einem Jahr waren Sie bei der jährlichen Feier zur Ankunft deutscher Missionare auf der Insel Mansinam in Papua eingeladen. Diese hatten ab 1855 den heute indonesischen Westteil der Pazifikinsel Neuguinea missioniert. Wie haben Sie sich bei dem Besuch gefühlt?

Dorothee Wüst: Das Erlebnis war eindrücklich, widersprüchlich, erhellend, ernüchternd. An dem Tag habe ich erlebt, dass die Menschen in Papua längst die Herren ihrer (christlichen) Geschichte sind und sehr reflektiert damit umgehen. Mich haben die Erlebnisse und Gespräche sehr demütig gemacht, weil es eigentlich eine Fortschreibung unguter Missionsgeschichte wäre, diese wiederum nur aus unserer Perspektive zu beurteilen. Die Papua sind dazu sehr gut selbst in der Lage.

epd: Warum ist Mission für die christlichen Kirchen auch oder gerade heute wichtig – auch mit Blick auf das „Missionsland Deutschland“?

Wüst: Ich habe in Papua erlebt, dass christlicher Glaube und christliche Gemeinschaft mit großer Selbstverständlichkeit und Lebendigkeit ein Grund zum Feiern waren. Tausende von Menschen nehmen viel auf sich, um diesen Tag an einem zentralen Ort zu begehen, weil ihnen ihr christlicher Glaube etwas bedeutet, weil ihnen Gemeinschaft etwas wert ist und weil ihnen dieser Glaube Perspektive gibt. Das hatten wir auch schon. Aber es ist uns verloren gegangen.

epd: Das Mitfeiern des Missionsfestes hat Sie also etwas traurig gestimmt?

Wüst: Für die Papua sind wir die „große Schwester“, das Mutterland der Reformation, das Herkunftsland ihrer großen Missionare, der Wurzelgrund ihrer Glaubensidentität. Die Papua feiern das Evangelium als wahrhaft „frohe Botschaft“, die ihrer Kultur einen positiven Bildungs-Schub und damit Zukunft gebracht hat. Während wir in unseren Zusammenhängen eher die Erfahrung machen, dass Menschen religiöses Bekennen als überholte Evolutionsstufe einordnen. Mir hat das Missionsfest wie auch andere Begegnungen mit Partnern und Partnerinnen in Papua vor Augen geführt, dass wir in Europa an vielen Stellen uns fragen müssen, ob wir dem Evangelium noch zutrauen, das „Licht“ zu bringen.