Deutsche Ermittler verzichten laut Norddeutschem Rundfunk (NDR) auf die systematische Löschung von Kindesmissbrauchs-Fotos und -Videos aus dem Internet. Sogar wenn die strafbaren Aufnahmen, die in Online-Foren getauscht würden, Gegenstand von Ermittlungen gewesen seien, ließen Behörden sie nicht sofort löschen, teilte der NDR am Donnerstag in Hamburg unter Verweis auf Recherchen des ARD-Politikmagazins „Panorama“ und des Rechercheformats „STRG_F“ (NDR/Funk) mit.
Laut NDR wäre das systematische Löschen schon mit wenig Personal möglich. Dass Behörden die Methode nicht nutzten, stehe im Widerspruch zu politischen Zusagen der vergangenen Jahre. So habe Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), nachdem 2021 durch Recherchen von „STRGF“ bekräftigt, dass es aus ihrer Sicht „besser geworden“ sei.
Die Innenministerkonferenz von Bund und Ländern habe aufgrund der Recherchen aus 2021 prüfen lassen, ob deutsche Polizeibehörden die Methode umsetzen könnten, so der NDR. Die Innenministerinnen und -minister hätten im Protokoll festgehalten, dass sie „eine geeignete Möglichkeit bietet, die Verfügbarkeit von Missbrauchsabbildungen zu reduzieren“. „STRG_F“ und „Panorama“ liege allerdings ein vertraulicher Bericht vor, demzufolge technisch mögliche Löschungen der Aufnahmen nicht stattfänden. Ein Grund sei fehlendes Personal, zudem müsse die Rechtslage geklärt werden, heiße es. Wie die Recherchen jetzt belegt hätten, habe auch das BKA das systematische, anlassunabhängige Löschen strafbarer Bilder bisher nicht umgesetzt.
Das Bundesinnenministerium habe auf erneute Anfrage mitgeteilt, es seien entsprechende Prozesse „evaluiert und angepasst“, informierte der NDR. Dabei seien auch „die Prozesse im Zusammenhang mit der anlassunabhängigen Recherche im Internet berücksichtigt“ worden. Was das bedeute, habe das Ministerium nicht weiter ausgeführt. Bundesinnenministerium, BKA und Innenministerkonferenz antworteten zunächst nicht auf Anfragen des Evangelischen Pressedienstes (epd).
Dass weiterhin nicht gelöscht werde, fanden „STRG_F“ und „Panorama“ laut NDR mittels monatelanger Datenanalyse in Darknet-Foren heraus. In einem Pilotprojekt hätten dann zwei Mitarbeitende über Monate hinweg in Darknet-Foren die dort verlinkten Fotos und Videos erfasst. Zum Hintergrund hieß es, pädokriminelle Täter vernetzten sich im Darknet zwar, ihre Daten speicherten sie aufgrund deren Größe aber im „normalen“ Internet. Im Darknet-Forum teilten sie lediglich die Download-Links. Die Speicherdienstbetreiber ahnten wegen der erfolgten Verschlüsselung meist nichts davon, reagierten aber auf Hinweise von außen.
Nachdem „Panorama“ und „STRG_F“ die gesammelten Links an die Speicherdienste gemeldet hätten, hätten diese mehr als 300.000 Links zu Millionen Aufnahmen deaktiviert und die Daten von ihren Servern gelöscht. Zwei Darknet-Foren, in denen gelöscht wurde, hätten daraufhin ihren Betrieb komplett eingestellt. Ein weiteres sei nicht mehr gepflegt worden. Einige Pädokriminelle hätten wegen der Löschung aufgehört, weiter Inhalte hochzuladen, hieß es.