Ostfriesische Pastoren im Nationalsozialismus

In seinem neuen Buch „Ostfriesische Pastoren im Dritten Reich“ beschreibt der Autor Matthias Hilbert die unterschiedlichen Lebenswege von zwölf ostfriesischen Pastoren zur NS-Zeit.

Matthias Hilbert hat recherchiert und beschreibt in seinem Buch, wie unterschiedlich sich Pastoren in Ostfriesland zum Dritten Reich verhielten.
Matthias Hilbert hat recherchiert und beschreibt in seinem Buch, wie unterschiedlich sich Pastoren in Ostfriesland zum Dritten Reich verhielten.privat

Wie haben sich Kirchenvertreter in der Zeit des Nationalsozialismus verhalten? Dieser Frage widmet sich der aus Ostfriesland stammende Autor Matthias Hilbert in seinem neuen Buch. Er macht das aus einem sehr speziellen Blickwinkel und beschreibt zwölf Lebensbilder von Pastoren aus Ostfriesland im Dritten Reich. Teils haben diese offenen Widerstand geleistet, teils haben sie sich mit dem NS-Regime arrangiert.

Einer der prominentesten Vertreter der Bekennenden Kirche war Ostfriese: Karl Immer, in dessen Gemeinde in Wuppertal-Barmen 1934 die Barmer Erklärung entstand, wurde 1888 in Manslagt nahe Emden geboren. Er setzte mit seinen Gefährten damit ein klares Zeichen gegen Nationalsozialisten und Deutsche Christen.

Immer hatte in seiner ostfriesischen Heimat etliche Verbündete; darunter sein Bruder Hermann Immer, der Pastor im Emder Arbeiterviertel Port Arthur/Transvaal war und dort immer wieder Juden oder Kommunisten Kleidung, Essen oder Unterschlupf bot.

Widerstandskämpfer, Angepasste und Mittäter

Hermann Steen aus dem rheiderländischen Holthusen gehört ebenfalls dazu. Er hat bereits früh gegen den „totalen Staat“ gepredigt und war Gründungsmitglied der Bekenntnisgemeinschaft seiner Landeskirche. 1938 unterzeichnete er eine Gebetsliturgie, die vor drohendem Krieg warnte.

Bespitzelungen, Hausdurchsuchungen und Verhöre waren bei den Pastoren an der Tagesordnung. Neben Rede- und Predigtverboten gab es Gefängnisstrafen, so wie Karl Immer, der wegen illiegaler Pastorenausbildung verhaftet wurde und im Gefängnis einen Schlaganfall erlitt, von dem er sich bis zu seinem Tod 1944 nicht erholte.

Dass ihm und vielen seiner Mitstreiter der Gang ins Konzentrationslager erspart blieb, verdankten sie wohl ihrer Beliebtheit in den Gemeinden. So sollen Gemeindeglieder von Hermann Immer beim Gauleiter in Oldenburg sowie der Gestapo in Berlin vorstellig geworden sein, um seine vollständige Rehabilitierung zu erreichen.

Widerstandskämpfer waren diese oppositionellen geistlichen Würdenträger aber nicht. Die meisten hatten eine starke rechtskonservative politische Grundhaltung.

Besonders deutlich wird das in der Biografie von Gerrit Herlyn, dem Neffen von Karl Immer. Obwohl er seinem Onkel bei der Erstellung der Barmer Erklärung assistierte, war er ein glühender Verehrer von Adolf Hitler. Erst nach Ende des Zweiten Weltkrieges vollzog er eine radikale Kehrtwende und wurde zum Pazifisten, der sich vehement gegen die Wiederbewaffnung wandte und Kriegsdienstverweigerer unterstützte.

Hass und Denunziation

Kaum Konsequenzen aus seiner Vergangenheit hingegen zog der bei den Deutschen Christen aktive Heinrich Meyer. Er wurde 1934 Landespropst für den Sprengel Ostfriesland Osnabrück mit Sitz in Aurich und machte durch Hassreden und Denunziation von Pastorenkollegen auf sich aufmerksam, bis er selbst bei den eigenen Parteigenossen in Ungnade fiel und sein Amt verlor. Nach der Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft hielt er an seiner Gesinnung fest und engagierte sich für rechtsradikale Parteien. Er wurde Religionslehrer und später sogar wieder Pfarrer.

Seine Aufrichtigkeit mit dem Leben bezahlen musste der in Leer geborene Kaplan Hermann Lange, der Teil der Lübecker Märtyrer war und noch bis 1942 öffentlich Kritik am NS-Regime äußerte. 1943 wurde er mit dem Fallbeil hingerichtet.

Auch Pastor Heinrich Schniers von der katholischen St.-Michael-Gemeinde aus Leer überlebte den Krieg nicht. Er wurde ohne Gerichtsurteil der Gestapo übergeben und ins Konzentrationslager Dachau gebracht, wo er im August 1942 an den Folgen eines Darmkatarrhs verstarb.

Buchhinweis: „Ostfriesische Pastoren im Dritten Reich. Zwischen Anpassung und Widerstand. Zwölf Lebensbilder“ von Matthias Hilbert ist bei „Books on Demand“ erschienen. Das Taschenbuch umfasst 124 Seiten und kostet 9,90 Euro.