Ostern für Fortgeschrittene

Meine Oma war eine Meisterin im Osternester verstecken. Einmal steckte eines im Schuppen angebracht zwischen den Gartengeräten und der Wand. Oder im Himbeerstrauch oder auf den Ästen der alten Tanne.
Aber nicht nur das – auch Omas selbst gebackenen Osterlämmern eilte ein Ruf voraus. „Die sind wichtiger als der Osterhase“, sagte sie immer. So ein leckeres Lamm gehörte in jedes Nest. Dabei hatte sie nicht nur für uns Enkelkinder eines versteckt. Nein. Es war immer klar, wer Ostern zu Besuch kommt, der sucht auch ein Osternest. So auch ihre fünf Kinder noch, als diese längst schon selbst Kinder hatten.

Einmal waren alle da – an die 20 Personen. Und vor dem Kaffeetrinken verkündete meine Oma, wir sollten doch mal sehen, was der Osterhase gebracht hat. Das war eine fröhliche Sucherei. Jedes Nest war mit Namen versehen, denn sie hat besondere Vorlieben Einzelner immer berücksichtigt. So konnte die Suche schon einige Zeit dauern.

Irgendwann hatten alle ihr Nest gefunden. Nur einer ihrer Söhne nicht. Er war schon ganz enttäuscht und fürchtete, sie könnte ihn doch vergessen haben. (Wie schnell so ein Erwachsener wieder Kind werden kann …) Meine Oma war erst noch recht verschmitzt und freute sich, dass sie so gute Verstecke gefunden hatte. Doch dann wurde sie unsicher. Denn es war an keinem der Orte, wo sie es vermutet hatte. Am Ende suchten alle nach dem einen Nest. Endlich fand es ein Enkel. Mein Opa hatte das Nestchen am Vormittag gefunden und es war ihm wohl im Weg. Deswegen hat er es kurzerhand in den Kofferraum seines Autos gepackt.
Und die Moral von der Geschicht? Verstecke Osternester gut –doch so gut auch nun wieder nicht.