Omri Boehm: Israel sollte universale Menschenwürde verankern

Statt für eine Zwei-Staaten-Lösung plädiert der diesjährige Gewinner des Leipziger Buchpreises zur Europäischen Verständigung für eine „Ein-Staat-Lösung“ im Nahen Osten. Dabei folgt er dem Denken Kants.

Der deutsch-israelische Philosoph Omri Boehm plädiert für eine Verankerung der universalen Menschenwürde in einer israelischen Verfassung. „Ich würde sagen, dass eine Verfassung, wenn sie geschrieben wird, mit der Aussage ‚Die Würde des Menschen ist unantastbar‘ beginnen sollte“, sagte der frisch gekürte Träger des Buchpreises zur Europäischen Verständigung am Donnerstag auf der Leipziger Buchmesse. Tatsächlich beginne das entsprechende israelische Grundgesetz, das es bislang gebe, mit menschlicher Würde und Freiheit als erstem Prinzip, so Boehm. Dieses Prinzip sei jedoch zur Bewahrung des jüdischen demokratischen Staates gedacht. Dies begrenze Würde und Freiheit auf einen Staat.

Israel hat keine geschriebene Verfassung, sondern sogenannte Grundgesetze. Sie sind nicht mit dem deutschen Grundgesetz vergleichbar, das einer Verfassung entspricht.

Boehm unterstrich, dass die philosophische Ableitung der universalen Menschenwürde sehr schwer sei: „Was ist die Grundlage dieser Würde? Gott? Nein. Die Natur? Nein. Die deutschen Bürger? Nein.“ Die universale, unantastbare Würde sei ein Ideal, das in der Philosophiegeschichte am besten von Immanuel Kant begründet worden sei, so der Philosoph. Man sollte es aber auch in der politischen Praxis anwenden.

In Abgrenzung zu einer Zwei-Staaten-Lösung für Israelis und Palästinenser plädiert Böhm für eine „Ein-Staat-Lösung“ in Form einer Föderation. Er begründete seine Friedensvision für den Nahen Osten mit dem philosophischen Prinzip Kants: „Man kann eine solche Lösung als weniger realistisch einstufen, aber es ist die einzige Lösung, die Frieden bringt.“ Eine „Ein-Staat-Lösung“ verlange aus seiner Sicht nämlich eine sofortige Hingabe an das Ideal der Menschenwürde mit allen schwierigen Bedingungen. Dadurch sei sie das „bessere Ideal“.

Omri Boehm kam 1979 in Haifa zur Welt. Nach einer Promotion über Kant unterrichtet er heute Philosophie in New York. Die Leipziger Auszeichnung erhielt er für sein Buch „Radikaler Universalismus“, das 2022 auf Deutsch erschien. Der Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung ist mit 20.000 Euro dotiert.