Ohne Fleisch und trotzdem lecker

Professorin und Mensa-Chefin wollen Großküchen nachhaltiger machen

Vegan und lecker? Das schließt sich aus Sicht vieler Kantinen- und Mensagäste aus. Wissenschaftlerin Melanie Speck entwickelt darum neue Rezepte für Großküchen. Ziel ist ein Menü, das schmeckt und gleichzeitig die Artenvielfalt auf der Erde schützt.

Osnabrück (epd). Josephine und Dirk sind Tierwohl und Nachhaltigkeit zwar wichtig. Aber nicht deshalb, sondern weil sie Appetit darauf hatten, haben sich die Studierenden in der Mensa am Osnabrücker Schlossgarten für vegetarische Gnocchi mit Ratatouille entschieden. Außerdem bietet die Mensa täglich auch ein veganes Menü und eines mit Fleisch oder Fisch an, heute Bio-Gemüsepfanne und Chicken-Burger. «Die Auswahl gefällt uns hier sehr gut. Manchmal hat man sogar das Gefühl, dass Fleischesser benachteiligt werden», sagt Josephine vor dem Mensa-Eingang und lacht.

   Daneben steht die Doktorandin Lynn Wagner und verteilt QR-Codes. In einem Online-Fragebogen sollen die Mensa-Gäste angeben, für welches Gericht sie sich entschieden haben. Schon am Vormittag hat die Ökotrophologin sie gefragt, was sie essen möchten. «Wir wollen herausfinden, wie viele ihren Plan ändern», erläutert Wagner. Wenn der große Hunger kommt, so die Vermutung, könnten Nachhaltigkeitskriterien an Bedeutung verlieren.

   Die Umfrage ist Teil des vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekts «Biodiversität über den Tellerrand» der Hochschule Osnabrück. Beteiligt sind auch Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen von der Technischen Universität Berlin und der Fachhochschule Münster. Die Osnabrücker Professorin für Sozioökonomie in Haushalt und Betrieb, Melanie Speck, leitet das Projekt. Sie will wissen, wie Speiseangebote von Großküchen aussehen können, die wirtschaftlich funktionieren und doch Rücksicht auf die Umwelt nehmen.

   «Wenn wir den Speiseplan eines Haushalts verändern, dann beeinflussen wir damit etwa vier Personen», sagt Speck. Dagegen würden in Großküchen täglich hunderte, wenn nicht tausende Mahlzeiten zubereitet. Bis zu 5.000 sind es aktuell nach eigenen Angaben beim Studentenwerk Osnabrück. «Diese Hebelwirkung wurde bislang total vernachlässigt.»

   Stellschrauben für mehr Biodiversität gebe es viele, sagt Speck: «Fleisch und Milcherzeugnisse sind eher schädlich, da für den Futtermittelanbau oft Wald zerstört wird. Hinzu kommen die vergleichsweise hohen Treibhausgas-Emissionen.» Auch Zutaten subtropischer und tropischer Herkunft wie etwa Palmöl gelte es zu vermeiden. «In diesen Gefilden ist die Artenvielfalt pro Quadratmeter Wald viel größer als bei uns.» Zudem seien Bio-Lebensmittel vorzuziehen, da Fungizide, Pestizide und Insektizide der Artenvielfalt schadeten.

   Zu den Projektpartnern gehören neben dem Studentenwerk ein bundesweit tätiger Caterer, eine Schulküche sowie ein Betreiber für Betriebskantinen. In der ersten Projektphase bewerten die Forschenden mittels eines Biodiversitäts-Index die Speisepläne der teilnehmenden Küchen. «Anschließend schauen wir, wie sich die Rezepturen verändern lassen», erläutert Speck. Dabei werde etwa Fleisch ersetzt oder reduziert und mit traditionell eher unüblichen Zutaten wie etwa Tofu experimentiert. Doch auch die Präsentation spiele eine Rolle: «Manchmal reicht es, das vegane Menü auf die beliebteste Ausgabeposition zu stellen, damit es sich gegen das Fleisch-Gericht durchsetzt.»

   Mensa-Küchenchefin Jutta Püschel kommt aus der Küche in den Ausgabebereich. «Ich bin mit gutbürgerlicher, also fleischlastiger Küche großgeworden», sagt die Küchenmeisterin. Als sie vor acht Jahren anfing, regelmäßig vegane Menüs anzubieten, mussten sie und ihre Mitarbeiter sich langsam an Zutaten wie Falafel, Soja-Sahne und Tofu herantasten. Mittlerweile ist Püschel überzeugt, dass man
nachhaltig und trotzdem lecker kochen kann. Kürzlich konnte sie sogar den Chefkoch eines Osnabrücker Hotels mit einem veganen Mahl überzeugen, wie sie erzählt: «Der war richtig aus dem Häuschen. Da habe ich gemerkt, wie wir uns in der Küche entwickelt haben.»

   Die Zahlen bestätigen, wie gut Püschels pflanzliche Küche ankommt. Im Schnitt wählten täglich 50 Prozent der Mensa-Gäste am Schlossgarten das vegane Gericht und weitere 15 Prozent das vegetarische, sagt der stellvertretende gastronomische Leiter des Studentenwerks, Philipp Heckmann. Das liege jedoch auch am Standort:
«Die Gäste hier studieren vor allem Sozialwissenschaften, Sprachen, Musik und Jura.» Hingegen besuchten etwa die Agrarwissenschaftler mehrheitlich die Mensa in Osnabrücks Norden. «Dort wird messbar mehr Fleisch gegessen.»

   An einem Tisch im Speisesaal hat Hedda gerade Pommes mit Mayo gegessen, ihre Sitznachbarin Svea wählte Gnocchi. Die beiden Vegetarierinnen sind mit dem Speisenangebot zufrieden, wie sie sagen. An einem anderen Tisch haben sich drei BWL-Studenten geschlossen für den Hähnchen-Burger mit Pommes entschieden. Die Gerichte der fleischlosen Menü-Linien schmeckten zwar meistens auch, findet
Leonard. «Man wird aber leider oft nicht satt davon.»

   Der Proteingehalt spiele ebenfalls eine Rolle, sagt Tobias, dessen Oberarme vom regelmäßigen Gang ins Fitnessstudio zeugen. «Und der ist bei Ratatouille halt nicht so toll.» Auch hierfür haben Speck und ihre Kollegen sicherlich eine Lösung, schließlich stecken auch Soja und Hülsenfrüchte voller Proteine. Damit das Mittagessen nachhaltiger wird – und allen schmeckt.