Zielstrebig kommt die junge Frau um die Ecke der Redaktion. Sicher bewegt sich Katrin Skundin zwischen Hörfunkstudios, Besprechungsräumen und Computerarbeitsplätzen. Selbstverständlich ist das nicht, denn die 22-jährige Volontärin des Hörfunksenders bigFM in Mannheim ist quasi blind.
Dass Skundin trotzdem eine Radiofrau werden darf, verdankt sie ihrer Willensstärke und Mut. Beim Vorstellungsgespräch für das Volontariat habe sie gesagt: „Ich bin da, um Menschen vom Gegenteil ihrer Vorurteile zu überzeugen“, erinnert sie sich beim Besuch des Evangelischen Pressedienstes (epd) bei Audiotainment Südwest in Mannheim.
Das Medienunternehmen produziert und vermarktet die Radiosender bigFM, RPR1, Radio Regenbogen und Rock FM. Die Reichweite der Radiosender reicht über Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, das Saarland bis nach Hessen, Nordrhein-Westfalen und Berlin. BigFM sei ihr „Grundschulsender“ gewesen, der schon auf den morgendlichen Taxifahrten in die Sehbehindertenschule in Köln Partymusik verbreitete, berichtet Skundin von ersten Berührungspunkten mit ihrem aktuellen Arbeitgeber.
Sie habe schon immer gerne gebabbelt, sprudelt sie weiter. „Ich habe seit Jahren diesen brennenden Radiotraum, Leute zu unterhalten“, sagt die Volontärin. Dass ausgerechnet ihr „Grundschulsender“ mit einem Praktikum den Quereinstieg in die Radiowelt ermöglichte, bezeichnet sie als „unfassbares Glück“.
Anders als eine Tageszeitung, Fernsehen oder Onlinemedien erreicht Radio seine Zielgruppe über das Gehör. Doch zur Produktion und Ausstrahlung einer Hörfunksendung sind die Augen gefragt: Töne müssen geschnitten, Texte geschrieben und gelesen werden, es gilt Knöpfe und Schalter zu bedienen. Nicht zuletzt muss jeder Radioreporter das „Rote Licht“ beachten, wenn aus dem Studio „live“ gesendet wird.
Wie also schafft man es, beim Radiogeschäft aus einer Sehschwäche eine Stärke zu machen? „Es ist gut zu wissen, wie man sieht“, sagt Skundin. Sie sei erst im Kleinkindalter sehgeschädigt worden. Ein Neuroblastom, das heißt, eine Krebserkrankung des Nervensystems, hatte Metastasen im Gehirn gebildet, die bestrahlt werden mussten. Dadurch wurde der Sehnerv des rechten Auges zerstört, auch das linke Auge wurde beschädigt.
Um ihr die Orientierung an der Technik zu ermöglichen, wurden für sie Farben und Kontraste vergrößert. Skundin tastet, merkt sich Abstände – bis die Knöpfe und Schalter am Mischpult „irgendwann wie Klavier spielen“ wurden: „Es gibt Hürden und Grenzen, aber ich finde immer wieder einen Weg mir zu helfen“, berichtet sie vom Umgang mit der Behinderung.
In der Pubertät habe sie die Behinderung verleugnet. „Jetzt gehe ich offen damit um. Sie macht mich nicht aus, aber sie gehört zu mir dazu“, sagt Skundin. Und Michael Weiland, Pressesprecher von Audiotainment Südwest, ergänzt: „Ihre Behinderung ist eher eine Bereicherung.“ Beim Vorstellungsgespräch habe sie mit ihrer „erfrischend positiven Art“ und ihrem Talent überzeugt.
„Das Talent zählte“, sagt Weiland. Wichtig im Hintergrund sei außerdem das Thema Inklusion. „Das ganze Team muss sich damit auseinandersetzen. Jeden Tag.“ Radio ist Teamarbeit.
Es ist das Ergebnis einer Idee – im Auto zu hören, im Büro, auf einer Party oder wo immer ein Empfangsgerät steht. Ihr Ziel sei es, eines Tages als Moderatorin Menschen zum Lachen zu bringen, hofft Skundin. Für die junge Volontärin hat der Weg ans Mikrofon gerade erst begonnen. (3180/09.12.2025)