Mit Marzipan und Mittagsschlaf

Zu seinen Spitzenzeiten hatte der 75-Jährige 22 Ehrenämter: Kein Wunder also, dass er nun die höchste Auszeichnung der Nordkirche bekommt. Porträt eines nimmermüden Helfers.

Dieter Radtke, ehemaliger Bankdirektor mit zahlreichen Ehrenämtern, wird von der Nordkirche ausgezeichnet
Dieter Radtke, ehemaliger Bankdirektor mit zahlreichen Ehrenämtern, wird von der Nordkirche ausgezeichnetDiakonisches Werk / Kirchenkreis Altholstein

Schleswig/Neumünster. Eigentlich sei er kein emotionaler Mensch, findet Dieter Radtke aus Schwentinental bei Kiel. Doch es gibt Ausnahmen: Vor kurzem hat ihm Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) das Bundesverdienstkreuz überreicht – die höchste Anerkennung, die die Bundesrepublik für Verdienste um das Gemeinwohl vergibt. „Da habe ich eine Gänsehaut gekriegt. Das hat mich umgehauen“, so Radtke.

Vielleicht wird es am Reformationstag (31. Oktober) wieder emotional für den 75-Jährigen: Dann wird er von der Nordkirche in Neumünster mit der Bugenhagenmedaille ausgezeichnet. Beide Auszeichnungen würdigen, dass der frühere Direktor der Evangelischen Bank sich seit vier Jahrzehnten für sozial benachteiligte Menschen engagiert. „Den Nächsten im Blick zu behalten, ohne selbst in den Vordergrund zu treten, war und ist immer Motivation und Richtschnur seines Handelns“, heißt es in der Begründung zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes.

Wo alles begann

Alles begann 1978 in Radtkes Heimatgemeinde, einer freikirchlichen Gemeinde in Kiel: Dort sprang er ein, übernahm die Kassenverwaltung und arbeitete im Vorstand mit. Bis heute ist er hier aktiv. 23 Jahre lang engagierte er sich zudem bei der Norddeutschen Gesellschaft für Diakonie in Rendsburg. Im Aufsichtsrat des Diakonischen Werks Altholstein sorgte er mit dafür, unterschiedliche Einrichtungen wie eine Seniorenresidenz und eine ambulante Pflegestation so miteinander zu verzahnen, dass sich deren Angebote optimal ergänzen.

Einsatz für Seeleute

Mit Radtke eng verknüpft ist auch die Aktion „Weihnachten am Ohr“, bei der die Stiftung Deutsche Lutherische Seemannsmission seit 2005 jedes Jahr rund 50.000 Euro an Spenden einwirbt. Das Geld wird eingesetzt, um Seeleute zu unterstützen. Helfer in den 15 Seemannsmissionen Deutschlands verteilen Pakete, die neben Kosmetikartikeln, Pudelmützen und Schokolade speziell getaktete Telefonkarten enthalten, mit denen die Crewmitglieder mit ihren Angehörigen zu Hause telefonieren können.

Radtke als Schatzmeister der Stiftung verschickt zum Herbstanfang Tausende Briefe an Privatleute, Reedereien und maritime Zulieferbetriebe und bittet um Spenden. Später ruft er ausgewählte Adressaten an, fasst nach. Der persönliche Kontakt, das Netzwerken und der Vertrieb, darauf legt Radtke großen Wert. „Meine Frau sagt dann, der Bettelmönch sei wieder unterwegs“, sagte Radtke lachend.

Aus Nächstenliebe gehandelt

Er wolle seinen Beitrag leisten, anderen Leuten zu helfen. Radtke handelt direkt aus seinem christlichen Glauben heraus, aus Nächstenliebe. „Ich bin nie zur See gefahren, bin auch kein Segler – aber ich liebe das Wasser, die Schiffe und ihr Tuten“, so der Pensionär, der mit seiner Ehefrau in Schwentinental bei Kiel lebt.

Zwei Söhne hat er und sechs Enkelkinder. Die Familie weiß um sein Faible für Marzipan – und hat ihm prompt, zur Feier des Bundesverdienstkreuzes, eine Torte aus der süßen Mandelmasse serviert.

Stillsitzen möchte und kann Radtke auch in Zukunft nicht. Deshalb engagiert er sich weiterhin in mehreren Ehrenämtern in Stiftungen und Diakonie. „Ich nicke dort auch nicht alles ab, sondern reiß‘ auch mal meine Klappe auf“, sagt er von sich selbst. Woher nimmt er die Energie? „Vielleicht habe ich die, weil ich jeden Tag anderthalb Stunden Mittagsschlaf halte.“ (epd)