Nobelpreisträgerin: Nichts kann den Lehrer als Person ersetzen

Avatare oder Apps statt Lehrkräfte? Solche Vorstellungen hält Nobelpreisträgerin Anne L’Huillier für abwegig. Für Veränderungen in Bildung und Wissenschaft hat sie andere Wünsche.

Für Anne L’Huillier (65), französisch-schwedische Nobelpreisträgerin für Physik, sind Lehrer in der Bildung unersetzlich. „Der Grundgedanke ist, dass nichts den Lehrer als Person ersetzen kann“, sagte sie dem Berliner „Tagesspiegel“ (Dienstag). „Man kann nicht auf dieselbe Weise unterrichten, indem man auf einen Computer schaut, sondern man muss mit einer Person sprechen. Und diese Person lehrt viel mehr als nur das Fach, sondern auch ihre Persönlichkeit, die die Schüler beeinflusst.“

Sie selbst habe in verschiedenen Phasen ihres Lebens gute Lehrer gehabt, die für Karriere und Lebensweg eine große Rolle gespielt hätten. „Im letzten Jahr des Gymnasiums hatte ich eine sehr gute Lehrerin in Mathematik. Und dann hatte ich gegen Ende meines Studiums gute Dozenten in Atomphysik, wegen denen ich überhaupt erst in mein Forschungsgebiet gegangen bin.“ Diese seien hervorragende Lehrer gewesen, die das Fach wirklich interessant machten und sie inspiriert hätten, mehr erfahren zu wollen.

Als Frau habe sie es im Forschungsbereich der Physik nicht immer einfach gehabt, erklärte die Wissenschaftlerin weiter. „Ich war auch oft die einzige Frau und hatte unter Vorurteilen zu leiden. Man hat mir weniger zugetraut.“ Allerdings sei sie als Frau auch wesentlich sichtbarer gewesen. „So kam ich manchmal auf ein Podium, weil die Leute da eine Frau dabei haben wollten. Diese Gender-Debatte kann man von zwei Positionen aus führen.“

L’Huillier plädierte grundsätzlich für mehr Vielseitigkeit in der Wissenschaft. Bei mehr Frauen in der Physik würde sich zwar fachlich nichts ändern, sagte sie. „Doch zwischenmenschlich profitiert jede Forschungsgruppe von Diversität. Die Atmosphäre ist immer besser, wenn Männer mit Frauen zusammenarbeiten und am besten auch Leute aus unterschiedlichen Kulturen und Nationen.“

L’Huillier erhielt im vergangenen Jahr den Physik-Nobelpreis für „experimentelle Methoden, die Attosekunden-Lichtpulse erzeugen zur Erforschung der Elektronendynamik in Materie.“ Eine Attosekunde ist ein Milliardstel einer Milliardstelsekunde. Sie ist die fünfte Frau, die den Physik-Nobelpreis erhalten hat.