Nicht ohne meine Nase – Neues Buch befasst sich mit dem Riechen

Omas frisch gebackener Apfelkuchen erinnert an die Kindheit und macht mit seinem Duft noch 30 Jahre später glücklich. Wie Gerüche Menschen beeinflussen und was sie medizinisch bewirken können, erklärt ein neues Buch.

Die Nase ermöglicht das Riechen und Schmecken, warnt frühzeitig vor Gefahren wie Feuer und ist auch entscheidend dafür, ob man jemanden im wahrsten Sinne des Wortes „gut riechen kann“ – oder eben nicht. Gleichwohl gehört das Riechen zu den eher unterschätzten Sinnen, haftet ihm doch etwas Animalisch-Triebhaftes an. So wie ein Hund intensiven Duft verströmen oder auch am Boden vor sich hin schnüffeln kann, das will der Mensch schließlich nicht – sollte er aber vielleicht.

In seinem neuen Buch stellt der Zellphysiologe Hanns Hatt, der an der Ruhr-Universität Bochum lehrt, unter dem Titel „Die Lust am Duft. Wie Gerüche uns verführen und heilen“ die Nase und ihre Eigenschaften ins Zentrum. Dabei wird deutlich, dass Gerüche eng mit Emotionen verbunden sind und diese wecken können: Die Nase leitet alle Duftsignale schnurstracks ins Erinnerungs- und Emotionszentrum des Gehirns weiter. So rufen etwa der vertraute Familien- und auch der Heimatgeruch immer dieselben Gefühle wach wie beim ersten Kennenlernen. Soll heißen: Wer auf einem Bauernhof aufgewachsen ist, spaziert gern dort, wo es nach Kuhfladen riecht.

„Philosophen verachteten das Riechen als niederen, sogar unnötigsten Sinn, als Sinn des Genusses, nicht des Denkens. Auch in der Physiologie zählt das Riechen zusammen mit dem Schmecken und Tasten zu den niederen Sinnen“, so Hatt. „Richtig ist aber: Die Nase ist unser empfindlichstes Sinnesorgan und greift tief in unser Leben ein“. Auf insgesamt 141 Seiten erklärt der Mediziner, wie das Riechen funktioniert, wie bestimmte Düfte empfunden werden und warum Geruch auch in der medizinischen Forschung eine immer größere Rolle spielt.

„Duftrezeptoren existieren im ganzen Körper. Und sie spielen auch bei Krankheiten eine Rolle, sogar bei Krebserkrankung“, erklärt Hatt und verweist auf wissenschaftliche Untersuchungen der vergangenen Jahre. So wurden Riechrezeptoren demnach im Gewebe zahlreicher Tumorarten gefunden. „Werden diese Rezeptoren durch einen bestimmten Duftstoff aktiviert, kann das viele zellbiologische Wirkungen haben“, so Hatt.

So werde etwa durch einen Duftstoff aus der Ligusterblüte der Riechrezeptor in Dickdarmkrebszellen aktiviert – die Krebszellen starben ab oder wuchsen langsamer. Schnuppern gegen Krebs: Damit Patienten davon profitieren können, seien noch klinische Studien nötig, betont der Wissenschaftler.

Er erklärt auch, wie das Riechen überhaupt funktioniert. Eine Nasenseite dürfe sich stets ausruhen, so der Forscher. „Die Menschen unterscheiden sich dabei in Rechts- und Linksnasen. Die einen riechen zu 80 Prozent des Tages durch die das rechte Nasenloch, zu 20 Prozent durch das linke, bei den anderen ist es umgekehrt.“

Keine Überraschung – Tiere können besser riechen als Menschen. Ein Schäferhund hat 200 Millionen Riechzellen, der Mensch nur 20 Millionen. Spitzenreiter in Sachen Riechen ist allerdings der Aal; er hat etwa eine Milliarde Riechzellen. Wissenschaftler haben ausgerechnet, dass die Aalnase bereits einen Tropfen Parfüm in der dreifachen Wassermenge des Bodensees aufspüren kann – nützlich für Beutejagd und Paarungslust.

Aber nicht nur Fruchtbarkeit lässt sich von Mensch und Tier erschnüffeln: „Wie Tiere produzieren wir offenbar Warnsignale, wenn wir Angst verspüren“, so Hatt. „Der Angstschweiß des Menschen ist unverkennbar und löst unbewusst bei allen Menschen gleiche Reaktionen aus: Man wird aufmerksamer, aktiver, aber auch etwas ängstlich und empathischer.“

Die Nase schläft nie – auch wenn man selbst dies tut. So zeigen Experimente im Schlaflabor, dass Gerüche, die man während des Schlafs wahrnimmt, unterschiedliche Wirkungen haben. Beim üblen Geruch von Fäkalien etwa berichten die Menschen nach dem Aufwachen von unangenehmen Erlebnissen in ihren Träumen, so Hatt.

Der Mediziner fördert in seinem Buch auch viel Kurioses zutage: So ist das für teure Männerdüfte verwendete „Ambra“ nichts Anderes als das getrocknete Erbrochene eines Pottwals. Die Tiere entledigen sich so unverdaulicher Reste. Schon in der Antike diente die Substanz demnach als wohlriechendes Heilmittel und Aphrodisiakum.