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“Nicht gleich die Welt umstürzen”

Für die bevorstehende Fastenzeit zwischen Aschermittwoch und Ostern haben sich viele Menschen eine Veränderung vorgenommen: Sieben Wochen ohne Alkohol, keine Zigaretten mehr, weniger Fleisch und mehr Gemüse. Damit das gelingt, rät der Göttinger Psychiater, Neurologe und Angstforscher Borwin Bandelow zu kleinen Schritten. „Veränderungen müssen realistisch, müssen erreichbar sein, sonst haben wir von vornherein verloren“, sagt Bandelow dem Evangelischen Pressedienst (epd). So sollten sich „Couch-Potatos“ kein ambitioniertes Sportprogramm vornehmen: „Das funktioniert nicht.“

„Nicht gleich die Welt umstürzen wollen“, unterstreicht Bandelow. Schließlich sei der Mensch ein Gewohnheitstier und halte gern an Vorgehensweisen und Ritualen fest. Aus diesen eingefahrenen Gleisen auszusteigen, das sei schwer. „Das kostet Energie, Gehirnschmalz und Zeit, da scheuen viele Menschen zurück oder haben sogar Angst, neue Wege zu gehen.“ Bei dem zu bleiben „was man immer schon so gemacht hat“, das sei auch in unserem genetischen Code verankert. Zudem werde das Gehirn durch Routinen entlastet.

Auch die Meinung anderer versperre neue Wege. „Wir sind ja grundsätzlich soziale Wesen“, betont Bandelow und fügt hinzu: „Wenn wir etwas ändern wollen, könnte uns auch die Angst, aus unserer sozialen Gruppe herauszufallen, vielleicht einen Freundeskreis zu verlieren, davon abhalten.“

Sich trotzdem auf den Weg zu machen und etwas zu verändern, dazu will unter anderem die Fastenaktion „7 Wochen Ohne“ der evangelischen Kirche ermutigen. Sie steht in diesem Jahr unter dem Motto „Luft holen! Sieben Wochen ohne Panik“: Es geht darum, auf etwas zu verzichten, um so Raum für Neues zu gewinnen. „Manchmal heißt das auch, die eigene Komfortzone zu verlassen, was vielleicht auch mit Verlustängsten verbunden ist“, verdeutlicht Bandelow.

„Trotzdem lohnt es sich“, begegnet der Wissenschaftler aufkommenden Ängsten und ermutigt: „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Veränderungen können zu extrem positiven Erfahrungen führen, im Privaten genauso wie im Job. Wir müssen sie einfach ausprobieren.“

Dabei helfe die Neugier, die als Gegenpol zur Angst in uns stecke. „Veränderungen haben auch etwas mit der inneren Einstellung zu tun“, bekräftigt Bandelow. „Die Überzeugung ‘ich kann mich verändern’ ist eine gute Voraussetzung für den Erfolg.“ Dazu nicht alles komplett umzuwerfen, sondern an bestehenden Gewohnheiten anzudocken und sie Schritt für Schritt zu verändern, „das kann wirklich helfen“.