„Nicht Fisch – nicht Fleisch“: die inklusive Gruppe von Kiel

„Nicht Fisch – nicht Fleisch“ ist eine inklusive Gruppe in Kiel, in der sich jeder zugehörig fühlen kann. Fabian Liebrandt hat lange nach so einer Gruppe gesucht. Dann ist er selbst aktiv geworden.

Im Café Paletti kommt die Gruppe "Nicht Fisch - Nicht Fleisch" einmal im Monat zum Brunch zusammen.
Im Café Paletti kommt die Gruppe "Nicht Fisch - Nicht Fleisch" einmal im Monat zum Brunch zusammen.Rebekka Krüger

Fabian Liebrandt ist 41 Jahre alt und hat seit seiner Geburt eine feinmotorische und eine leichte geistige Behinderung. Sein ganzes Leben hat er Anschluss gesucht, nach Menschen, bei denen er er-selbst sein kann und sich wahrgenommen fühlt. Leicht sei das nicht gewesen. Liebrandt beschreibt sich als „zu behindert“ für Gruppen ohne – und als „zu wenig behindert“ für Menschengruppen mit Behinderung. Er sah sich lange als nichts Halbes und nichts Ganzes – eben „Nicht Fisch – nicht Fleisch“.

Fabian Liebrandt hat sein Glück in Sportgruppen, einem Treff für schwerbehinderte Menschen, in Studentengruppen und vielen anderen Freizeittreffs gesucht. „Das war frustrierend“, sagt Liebrandt. „Manche Gruppen konnten sich nicht allein treffen und fanden nur über Eltern statt. Aber ich brauche keine dauerhafte Betreuung.“ Liebrandt möchte seine Selbstständigkeit nicht ständig abgesprochen bekommen, sondern in die Gesellschaft integriert werden und mit mehr Kontakt Vorurteile abbauen.

Manchmal, wenn der Kieler in der Stadt unterwegs ist, wechseln Eltern mit kleinen Kindern sogar die Straßenseite. „Einmal ist ein kleines Mädchen an mir vorbeigelaufen und hat seine Mutter gefragt: Was hat der Mann?“, sagt Liebrandt. Die Mutter habe das Kind darauf weggezogen und gesagt, dass sich eine solche Frage nicht gehöre. „Ich hätte mir aber gewünscht, dass mich das Mädchen einfach fragen würde.“, erzählt Liebrandt weiter. Er wirkt etwas traurig, aber selbstbewusst. „Wie auf Menschen wie mich zugegangen werden kann? Ganz normal. Einfach ansprechen.“

Im Leben würde was fehlen

„Nicht Fisch – nicht Fleisch“ feiert am 19. Januar sein neunjähriges Bestehen. Seit 2015 trifft sich die Gruppe regelmäßig jede Woche. Eine Woche wird gechillt oder Brett- und Kartenspiele ausgepackt, in der nächsten Woche wird gemeinsam gekocht, immer im Wechsel. Einmal im Monat wird zusätzlich gemeinsam gebruncht und andere Aktivitäten unternommen – von Freizeitpark über eine selbst organisierte Disco bis hin zum Bummel über den Lübecker Weihnachtsmarkt.

Heute beim Frühstück im Kieler Café Paletti ist die Gruppe zu sechst. Über Corona seien viele Mitglieder der Gruppe verschwunden, berichtet Teilnehmerin Roswita Hennig. Wie in vielen Treffs seien einige nach den Corona Maßnahmen nicht wieder aufgetaucht. Die fünf Teilnehmer sind sich aber einig: Ohne Fabian und „Nicht Fisch – Nicht Fleisch“ würde etwas fehlen im Leben von jedem Einzelnen.

Gruppe trifft sich jede Woche

Das Café Paletti stellt die Räumlichkeiten, ihr Essen darf die Gruppe selbst mitbringen. Eier, Brötchen, Käse, Frikadellen, Frischkäse und selbstgebackene Plätzchen sind auf dem Tisch zu finden. „Es ist auch für uns alles teurer geworden“, sagt Fabian Liebrecht. „Trotzdem verdienen wir in Werkstätten nicht mal Mindestlohn.“ Klar gebe es finanzielle Unterstützung bei grundlegenden Dingen wie Wohnraum. „Aber auch wir wollen uns etwas leisten können, Dinge unternehmen und das Leben genießen.“ Für einige Teilnehmer sei es ohne Spenden von außerhalb der Gruppe nicht möglich, an den gemeinsamen Aktivitäten teilzunehmen. „Es sind aber nicht genug Spenden für alle da, dann ist es schwer zu entscheiden, wer wie unterstützt werden kann und muss“, sagt Liebrecht, der alle Aktionen organisiert.

Auch bei den wöchentlichen Treffen sind nicht immer alle Teilnehmer dabei – der eine kocht lieber, der andere mag die Spieleabende mehr. Aber sie sind der feste Kern der Gruppe und wünschen sich Zuwachs. Es sei schade, dass bei inklusiven Treffs für Behinderte und Nicht-Behinderte eigentlich immer ausschließlich behinderte Menschen dabei seien.

Beim Sommerfest packen alle mit an

Am besten funktioniere inklusive Begegnungen auf dem jährlichen Sommerfest, bei dem jeder mit anpackt, erzählt Fabian Liebrandt. In diesem Jahr wird es zum fünften Mal stattfinden. Mehr als 300 Menschen kommen dann zum Spielplatz in der Gutenbergstraße, wo der Kieler das Fest organisiert. Mit einer Band, Kuchen und Kinderschminken – alles ehrenamtlich. „Das Fest wächst, und es melden sich immer mehr Menschen, die helfen wollen“, freut sich Liebrandt. Hier könne bemerkt werden, dass eine neue, junge Generation heranwächst, in der, für viele, Inklusion von Anfang an etwas Normales sei.

Im nächsten Jahr steht ein weiteres großes Fest an. Zehn Jahre wird es „Nicht Fisch –nicht Fleisch“ dann geben. Aber bis dahin ist Fabian Liebrandt voll und ganz mit vielen anderen Projekten beschäftigt, in denen er für mehr Inklusion kämpft. Sein großer Wunsch für alle Aktionen: „Dass wir mehr Menschen werden! Und vor allem auch Menschen ohne Behinderung zu uns stoßen.“ Die seien nämlich bei „Nicht Fisch – nicht Fleisch“ noch in der Unterzahl.