„Nicht ausbeuten – nur wirtschaften“

Seit 1991 betreiben Anne Schritt und Wilhelm Höper in Groß Kiesow einen Ökobetrieb mit Milchkühen und Ackerbau: das alte Kirchengut Strellin. Doch jetzt droht ihnen Ärger.

Den Traum vom Biobauernhof haben sich Anne Schritt und Wilhelm Höper in Groß Kiesow erfüllt
Den Traum vom Biobauernhof haben sich Anne Schritt und Wilhelm Höper in Groß Kiesow erfülltSybille Marx

Groß Kiesow. Es duftet nach Heu, eine Katze leckt verschüttete Milch auf, und die 117 „Angler“, rotbraune Kühe mit wachen Augen, kommen von der Weide. Melkzeit auf dem Kirchengut Strellin in Groß Kiesow bei Greifswald. Während viele Kirchengemeinden in diesen Tagen Erntedankfest feiern, feiert Strellin Jubiläum: „Wir haben in diesem Jahr unsere 30. Ernte eingefahren“, erzählt Anne Schritt stolz.

Keine Ernte wie jede andere: Anne Schritt und Wilhelm Höper, beide 58, gehören zu den wenigen Landwirten in MV, die nach Demeter-Kriterien Milchkühe halten und Getreide anbauen, mit 15 Saaten und achtjähriger Fruchtfolge. Und sie gehören zu den noch selteneren, die das auf kirchlichem Boden tun.

Vorrang für Öko-Landwirte

Mehr als 41.000 Hektar Agrarfläche verpachtet die Nordkirche in MV, auf den meisten Flächen wird konventioneller Landbau betrieben. Genaue Zahlen haben die Liegenschaftsämter nicht. Lange Zeit, so scheint es, war es der Kirchenleitung gar nicht so wichtig, wie klima-, natur- und tierfreundlich auf kirchlichen Böden gewirtschaftet wird.

„Da ändert sich aber gerade viel“, meint Agrarexperte Jan Menkhaus vom „Infoportal Kirchenland“ beim Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt der Nordkirche. Der Nordkirchen-Synodal-Ausschuss für „Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung“ bereite für die Frühjahrssynode 2022 eine Vorlage vor, die endlich die Einhaltung bestimmter Kriterien auf Kirchenäckern verpflichtend machen werde. Im mecklenburgischen Kirchenkreis gilt bereits jetzt: Bis 2030 sollen mindestens 20 Prozent an Öko-Landwirte verpachtet sein, erklärt Sprecher Christian Meyer. An besonders klimaschonende Betriebe soll zudem vorrangig verpachtet werden.

Es war ihr Traum

Anne Schritt und Wilhelm Höper sind bis heute dankbar, dass die pommersche Kirche ihnen kurz nach der Wende zutraute, das Kirchengut Strellin mit seinen historischen Feldsteinscheunen zu übernehmen. Und dass die Kirchengemeinden Groß Kiesow und Gützkow ihnen 340 Hektar Land verpachteten. „Wir waren erst 28, kamen aus dem Westen, Schleswig-Holstein, und hatten noch nie einen Hof geleitet“, erzählt Höper. Umso größer war ihr Traum: Im Einklang mit Tieren und der Natur wollten sie wirtschaften, nicht ausbeutend, sondern respektvoll. „Und so ein schöner alter Hof, das war unser Traum hoch drei.“

Im Einklang mit der Natur

Die „Angler“, die sie als Milchkühe züchten, sind eine alte, vom Aussterben bedrohte Rasse. Statt die Tiere in engen Ställen mit Mais, Soja und Getreide auf Hochleistung zu trimmen, lassen die Strelliner sie auf der Weide Gras, Klee und Kräuter finden. Nur Heu und Silage aus eigenem Anbau füttern sie. Rund 5000 Liter Milch gibt eine Anglerkuh pro Jahr, etwa halb so viel wie eine konventionelle Milchkuh. Dafür hat diese Bio-Milch mehr Fett und erzielt höhere Preise.

Gleiches Prinzip beim Getreide: Nicht allein Quantität strebt das Bauernpaar an, sondern auch höchste Qualität im Einklang mit der Natur: „In der konventionellen Landwirtschaft werden Probleme technisch-chemisch gelöst“, sagt Anne Schritt. „Wir beobachten den lebendigen Organismus und fördern ihn.“

Weiter bis zur Rente

Diese Arbeit erleben sie als so sinnstiftend, dass sie gern bis zur Rente weitermachen würden. Doch ob das gelingt? Noch hielten ihnen die Kirchengemeinden mit moderaten Pachtgebühren den Rücken frei, erzählen sie. Doch jetzt droht ihnen Ärger, denn die Verwaltung dränge auf Erhöhung. „Wenn es kommt wie angekündigt, gilt für uns bald die gleiche Pachtgebühr wie für konventionelle Landwirtschaftsbetriebe mit riesigen Flächen und Maschinen“, sagt Höper. Kein Biolandwirt könne da mithalten. Und so hofft das Paar, dass die Landessynodalen bald angepasste Pachtgebühren für Biohöfe festschreiben. „Sonst bleibt der Ruf nach mehr Biolandwirtschaft ein Lippenbekenntnis.“