Neuseeland will Moschee-Anschläge von 2019 offiziell aufarbeiten

In Neuseeland hat eine umfassende amtliche Untersuchung zur Aufarbeitung der Terroranschläge eines australischen Neonazis auf zwei Moscheen in Christchurch von 2019 begonnen. Bei der Eröffnung des Verfahrens am Dienstag sei aus dem Koran vorgelesen worden, berichteten neuseeländische Medien.

Der rechtsextreme Terrorist Brenton Tarrant hatte im März 2019 vor den Moscheen in Christchurch mehr als 50 Menschen erschossen und 50 weitere verletzt. Da wegen der Geständnisse des damals 28-Jährigen kein Strafrechtsprozess stattgefunden habe, solle die amtliche Untersuchung prüfen, ob Polizei, Notfall-Ambulanzen und Feuerwehr hätten mehr zur Rettung von Leben tun können, berichteten neuseeländische Medien.

Bei der „Coronial Inquiry“ gehe es nicht um Haftung oder Entschädigung, sagte die Chefin der Behörde für Rechtsmedizin und Forensik, Brigitte Windley, die die Untersuchung leitet. „Für viele trat der Tod sofort ein und die Frage des Überlebens stellte sich nicht. Für eine kleine Anzahl müssen wir uns diese Frage genauer ansehen“, sagte Windley. Ziel sei es zu lernen, wie Notfallmaßnahmen in Zukunft verbessert werden könnten.

Die Vorsitzende des „Rats der islamischen Frauen“, Aliya Danzeisen, begrüßte das Verfahren. Es sei für die Überlebenden wichtig, die Wahrheit zu kennen und zu wissen, was in Zukunft getan werden könne, damit so etwas nicht noch einmal passiere, sagte Danzeisen laut Radio New Zealand.

Die Prüfung findet in einer gesellschaftlich angespannten Zeit statt. Als Folge des Kriegs zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas hat es laut Medienberichten Drohungen gegen neuseeländische Juden und Muslime gegeben.

Die Untersuchung wird sich laut Medien auf zehn Kernpunkte konzentrieren, darunter etwa die Frage, ob Tarrant Hilfe von jemand anderem hatte und ob der Notausgang in der Al-Noor-Moschee während des Massakers verschlossen war. Das Beweismaterial umfasst demnach Tausende Fotos, Videos und Audiodateien.

Tarrant übertrug sein Massaker über eine Helmkamera live im Internet. Im Mai 2019 wurde er wegen Terrorismus und Mordes in 51 Fällen sowie versuchten Mordes in 40 Fällen angeklagt. Nachdem er zunächst auf „nicht schuldig“ plädiert hatte, gestand er später die Tat und wurde 2020 zu lebenslanger Haft ohne die Möglichkeit auf vorzeitige Entlassung verurteilt. Ein solches Strafmaß hatte es in Neuseeland bis dahin nicht gegeben.