Neumann-Becker leitet künftig das Wittenberger Predigerseminar

Die scheidende sachsen-anhaltische Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Birgit Neumann-Becker, wird ab Juni neue Leiterin des Predigerseminars in Wittenberg. „Es ist ein toller Ort, ich freue mich sehr“, sagte Neumann-Becker im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Neben der Verantwortung für die Schlosskirche und die Forschungsbibliothek werde sie insbesondere für die Ausbildung des Pfarrer-Nachwuchses verantwortlich sein.

Dabei gehe es um die Frage, wie man die Kirche zukunftsfest machen könne und welche Rolle Pfarrerinnen und Pfarrer künftig haben werden, sagte die evangelische Theologin: „Ich halte das für eine Riesenaufgabe, gerade jetzt nach der Missbrauchsstudie und der Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung.“ Da gehöre schon etwas dazu, mit diesem Gepäck ins Pfarramt zu gehen, meinte Neumann-Becker. Man sei als Kirche verpflichtet, den jungen Pfarrerinnen und Pfarrern Gutes mit auf den Weg zu geben.

Neumann-Becker war seit 2013 Landesbeauftragte in Sachsen-Anhalt, zunächst für die Stasi-Unterlagen, dann für die generelle Aufarbeitung der SED-Diktatur. Sie bemängelte insbesondere die aus ihrer Sicht schleppende politische Anerkennung gesundheitlicher Folgeschäden durch in der DDR begangenes Unrecht. So gebe es allein in Sachsen-Anhalt rund 17.000 Menschen, die strafrechtlich rehabilitiert seien. Aber nur gut 8.500 von ihnen erhielten eine Opferpension. Knapp 1.300 Menschen in Sachsen-Anhalt hätten einen Antrag auf Anerkennung gesundheitlicher Folgeschäden gestellt, nur knapp 250 seien bewilligt worden.

Sie unterstütze daher die Forderung der SED-Opferbeauftragten beim Deutschen Bundestag, Evelyn Zupke, nach Einführung einer Vermutungsregelung. Das bedeute, wenn jemand in Haft gewesen sei und gesundheitliche Schäden habe, gehe man davon aus, dass dies auf die Folgen der Haft zurückzuführen sei. Ebenso begrüßte sie, dass Sachsen-Anhalt den Härtefallfonds für SED-Opfer in diesem Jahr auf 100.000 Euro verdoppelt habe.

Neumann-Becker wandte sich gegen eine Gleichsetzung der Bundesrepublik mit der DDR, wie sie teilweise in extrem rechten Kreisen vorgenommen wird. „Das ist natürlich grober Unfug“, sagte die scheidende SED-Aufarbeitungsbeauftragte. Allerdings nehme sie wahr, dass insbesondere die „geschlechtergerechte Sprache“ von vielen Menschen als Bevormundung empfunden werde. Dies sei auch ihr gutes Recht. „In der Gesellschaft sollte der Meinungskorridor möglichst breit sein von links bis rechts“, forderte Neumann-Becker.