Im Überseequartier der Hamburger Hafencity ist am Freitag das „denk.mal Fruchtschuppen C“ eröffnet worden. Vertreterinnen und Vertreter des Landesvereins der Sinti in Hamburg, des Vereins Rom und Cinti Union und der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte zur Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen enthüllten gemeinsam mit Kultursenator Carsten Brosda (SPD) das Gedenkzeichen zum Völkermord an Sinti und Roma aus Norddeutschland während der NS-Zeit, wie die Kulturbehörde, die Stiftung Hamburger Gedenkstätten und die Hafencity Hamburg GmbH mitteilten. Das neue Gedenkzeichen ergänze den bestehenden Gedenkort „denk.mal Hannoverscher Bahnhof“, der seit 2017 an die Deportationen von Juden, Sinti und Roma erinnert.
Das „denk.mal Fruchtschuppen C“ mache „einen langen unsichtbaren Ort der Verfolgung im Stadtbild kenntlich“, sagte Brosda. Es sei „eine wichtige und bleibende Mahnung und Ausdruck unserer Verpflichtung, das Gedenken an diese Verbrechen dauerhaft zu sichern“. Zugleich verdeutliche es, „dass Rassismus und Menschenfeindlichkeit in unserer Gesellschaft keinen Platz haben“.
Am 16. Mai 1940 verhafteten Polizeibeamte den Angaben zufolge etwa 1.000 Sinti und Roma in Hamburg und Norddeutschland, sperrten sie in den Fruchtschuppen C im Hamburger Freihafen und verschleppten sie am 20. Mai 1940 in das Zwangsarbeitslager Belzec im deutsch besetzten Polen. Am 11. März und am 18. April 1944 seien weitere 300 Frauen, Männer und Kinder der Minderheit in zwei weiteren Deportationen nach Auschwitz-Birkenau deportiert worden. Ein Großteil der Menschen sei in den darauffolgenden Jahren ermordet worden.
Arnold Weiß, 1. Vorsitzender des Landesvereins der Sinti in Hamburg, sagte mit Blick auf die damaligen Geschehnisse: „Ihre belastenden Erinnerungen prägten, ebenso wie die nach 1945 fortdauernde Diskriminierung, auch die nachfolgenden Generationen bis heute mit.“ Der Landesverein begrüße es sehr, dass neben dem Gedenkort am ehemaligen Hannoverschen Bahnhof jetzt am Magdeburger Hafen „sichtbar und dauerhaft an die Deportation und Ermordung der Sinti und Roma erinnert wird“.
Rudko Kawczynski, Vorsitzender der Rom und Cinti Union, sagte: „Das Denkmal erinnert an die Opfer und mahnt zugleich: Antiziganismus und Diskriminierung existieren bis heute. Erinnerung ist Verpflichtung – hinzusehen, nicht zu schweigen und gemeinsam Verantwortung zu übernehmen.“ Oliver von Wrochem, Vorstand der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte, kündigte an, das neue Gedenkzeichen solle in pädagogische Angebote der Stiftung zur Verfolgung der Sinti und Roma einbezogen werden.
Das „denk.mal Fruchtschuppen C“ liegt im heutigen Westfield Hamburg-Überseequartier an der Promenade der New-Orleans-Straße. In der neu angelegten Baumreihe entlang der Promenade wurde den Angaben nach ein Baum bewusst ausgelassen. Stattdessen schiebt sich das Gedenkzeichen den Passantinnen und Passanten in den Weg. Auf den Außenflächen der sechs Betonstelen sind schemenhaft die Silhouetten von Frauen, Männern und Kindern zu erkennen. Der Schriftzug „Fruchtschuppen C“ verweist auf den verschwundenen historischen Ort: Von 1911 bis 1949 stand dort ein Gebäude zur Lagerung von Südfrüchten. Das Areal wurde in den 1970er Jahren überbaut. Im Inneren informiert das Gedenkzeichen über die Verfolgung und die Deportationen der Sinti und Roma aus dem norddeutschen Raum. In die Stelen sind Tafeln mit Texten, Bildern, Zitaten und Biografien von Verfolgten eingelassen.